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The Inner Friend im Test – Psychologischer Horror-Trip für Denker

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Seit dem 06. September 2018 geistert der surreale Erkundungs-Titel „The Inner Friend“ bereits auf dem PC herum. Nun dürfen sich auch Konsoleros fürchten, denn seit dem 28. April 2020 ist der interessante Titel auch für PlayStation 4 sowie Xbox One erhältlich. Entwickler Playmind lädt euch in „The Inner Friend“ dazu ein das Unterbewusstsein zu erforschen und grausame Wesen sowie Albträume, die aus seelischen Qualen entstanden sind, zu überwinden. Bei ihrer Arbeit ließen sich die verantwortlichen von den Arbeiten des Psychologen Carl Jung und der Filmographie von Stanley Kubrick (Shining, Full Metal Jacket) inspirieren. Ob der Titel seine Versprechen von reichhaltig abstrakt visueller Umgebungen, beeindruckenden Kulissen und einem filmischen Soundtrack halten kann, verraten wir euch in diesem Test. Der Trailer sieht jedenfalls sehr spannend aus und verspricht eine interessante und surreale Erfahrung.

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https://youtu.be/aIJnGQTPKy8

„The Inner Friend“ kommt ganz ohne Text aus, sodass der Spieler an Hand seiner Umgebung und den einzelnen Details auf dem Bildschirm seinen eigenen Reim aus dem Erlebnis machen muss. Viele Eindrücke werden eindeutig erkennbar sein, andere hingegen werden Platz für unterschiedliche Interpretationen lassen. Es ist eine Reise, die euch allein durch ihre Bildsprache einfangen möchte. So heißt es in der offiziellen Beschreibung: „Lasse dich von einem geheimnisvollen Schatten leiten und stelle dich den Ängsten und Albträumen, die sich in seinem unterbewussten Universum materialisieren. Tauche ein in eine einzigartige und gruselige Welt, lebe durch die Erfahrungen der Kindheit des Schattens und sammle sie, um seinen einstigen Rückzugsort wiederherzustellen. Reise noch tiefer in das Unterbewusstsein und entwirre eine umfangreiche, aber stumme Geschichte, in der du grausigen Wesen begegnest, vor denen du fliehen musst. Doch am Ende kommst du nicht darum herum, dich ihnen zu stellen.“

Einzigartiger Trip durchs Unterbewusstsein

Surreal. Passender kann eine Bezeichnung für „The Inner Friend“ nicht sein. Schon der Beginn des Abenteuers ist mehr als merkwürdig und zum Teil verstörend. Wir sehen ein heruntergekommenes Zimmer. Das einzige Licht scheint durch ein zerbrochenes Fenster und beleuchtet einen nackten männlichen Körper, der auf einer dreckigen Matratze liegt. Als wir uns diesem nähern, dreht sich die Person zur Seite und offenbart eine scheinwerferartig leuchtende Lücke im Schädel, wo eigentlich das Gesicht sein sollte. Der Gesamteindruck dieses Szenarios ist mehr als bizarr und löst Unbehagen in mir aus. Wir nähern uns weiter diesem unruhigen Körper, der scheinbar von etwas geplagt wird und tauchen in das leuchtende Loch im Schädel ab.

Kaum eingetaucht materialisieren wir uns in ein humanoides Menschenkind, welches aus Porzellan zu bestehen scheint und bereits Risse und Bruchstellen aufweist. Wir erwachen in einem kaum eingerichteten Kinderzimmer und können einen auffällig großen Spalt in der Wand erkunden. Ein Röhrengang, der sich pulsierend in eine Menschengestalt und wieder zurück wandelt, führt uns in einen dunklen Abgrund. Wir schreiten hindurch, fallen plötzlich auf ein grelles Licht zu, während sich um uns herum gebäudeartige Strukturen aus zufällig wirkenden Klötzen bilden.

Dieser kurze Einblick auf das Geschehen vermittelt sehr gut den Gesamteindruck des Titels. So bleibt das Erlebte dieses einzigartigen Trips undurchsichtig und kompliziert zu erfassen. „The Inner Friend“ präsentiert euch die Antworten auf eure Fragen nicht auf einem Silber Tablet, indem es auf Text oder einen Erzähler komplett verzichtet. Stattdessen müsst ihr euch aus dem Erlebten selbst einen Reim machen, was durchaus Raum für Interpretationen lässt. Die Entwickler haben voll und ganz auf das sogenannte Environmental Storytelling gesetzt. Hierbei werden wichtige Informationen über die Umgebung sowie musikalische Untermalung vermittelt und der Spieler muss versuchen dieses sinnliche Puzzle zusammen zu setzen. Aus diesem Grund ist auch das Gameplay so minimalistisch wie nur möglich ausgefallen. Um sich besser auf die audiovisuellen Eindrücke einlassen zu können, erinnert „The Inner Friend“ stark an einen Walking Simulator. Ihr steuert diesen zerbrechlichen Porzellanjungen aus der dritten Person und könnt rennen, springen und mit vereinzelten Objekten interagieren. Und das war´s auch schon.

Horror mit Grips

Obwohl „The Inner Friend“ als Horror-Adventure betitelt wird, ist es kein Horror-Spiel im typischen Sinne. Die Entwickler verzichten bewusst auf Jump Scares oder andere billige Tricks, nur um euch kurz zusammen zucken zu lassen. Stattdessen liegt der Horror in den zu erlebenden Ängsten des Kindes. Dabei sind einige zwar Klischeehaft wie eine Schule oder auch ein Krankenhaus, aber auch nachvollziehbar, da jedes Kind irgendeine Angst mit diesen beiden Institutionen verbindet. Zwar existieren auch Monster in „The Inner Friend“, doch diese dienen eher als Stützen der Atmosphäre, da sie nur in wenigen Fällen eure Verfolgung aufnehmen.

Um die Spieler dennoch ein klein wenig spielerisch zu fordern, wurden vereinzelt Rätsel eingebaut. So müsst ihr zum Beispiel in der Schule Bücher von Pult zu Pult verschieben, um tödliche Strahlen zu unterbrechen. An anderer Stelle müsst ihr Stromgeneratoren in einer bestimmten Reihenfolge nach dem berühmten Spiel „Simon Says“ aktivieren oder bunte Felder in einer farblich bestimmten Reihenfolge begehen. Alles in allem sind es keine Rätsel die euch lange aufhalten werden, dennoch sorgen sie für ein wenig Abwechslung. Abwechslungsreich gestalten sich auch die neun unterschiedlichen Gebiete. In jedem Gebiet wird eine andere Angst behandelt, die ihr spielerisch überwinden müsst. Nach jeder besiegten Angst landet ihr erneut im Kinderzimmer, welches im Verlauf des Abenteuers mehr und mehr Einrichtung erhält. Zudem lassen sich auch Sammelgegenstände in den einzelnen Abschnitten finden, die sich als Deko im Kinderzimmer platzieren lassen, darunter ein Ball, Baseballschläger oder auch Malbrett.

Sowohl grafisch als auch technisch befindet sich „The Inner Friend“ in einem mittelmäßigen Zustand. Während die Grafik sehr gut die unterschiedlichen Eindrücke und die unterschiedliche Atmosphäre zu vermitteln vermag, ist die Steuerung etwas schwammig geraten. Die Figur bewegt sich grundsätzlich zunächst in ihre Blickrichtung, wodurch sie sich nicht so intuitiv bewegen lässt wie von anderen Spielen gewohnt. Ist der Blick der Figur zum Beispiel nach hinten gerichtet und ich versuche direkt nach vorne zu laufen, dann läuft die Figur zunächst ein paar Schritte in Blickrichtung, dreht sich um und läuft quasi verzögert nach vorne. Das nervt ein klein wenig, weil man andere Standards gewohnt ist.

Für euren Durchgang werdet ihr zwischen eineinhalb und zwei Stunden benötigen. Wer alle Sammelgegenstände sammeln möchte mag etwas mehr Spielzeit herauskitzeln und wird sogar mit einem Secret Ending belohnt, doch einen erneuten Durchgang werden die wenigsten in Angriff nehmen dürfen, da es einmal erlebt den kompletten Reiz verliert. Viel länger braucht das Abenteuer aber auch nicht zu sein, da die Eindrücke etwas Zeit für Interpretation benötigen. Ich würde sogar empfehlen nach jedem Level eine Pause einzulegen und das Erlebte sacken zu lassen, anstatt alles auf einmal durch zu rushen. Jede Situation erlaubt mehrere Interpretationen, so erinnerte mich der Anblick der Schule zum Beispiel an einen Amoklauf, da man immer wieder verzweifelten Schülern begegnet, die ängstlich zusammen kauernd in Ecken oder unter Tischen sitzen oder aus Räumen zu flüchten versuchen. Doch je mehr ich die Schule erkundete, kam mir der Gedanke in den Kopf, dass sich die Angst möglicherweise aus ältere Schulmethoden begründet. Früher haben Lehrer ihre Schüler schlagen dürfen und ihnen drakonische Strafen aufgebrummt, in dem Glauben sie so besser zum Lernen zu bewegen. Doch das sind nur meine Gedankengänge dazu, vielleicht werdet ihr es ganz anders empfinden.

Fazit

„The Inner Friend“ ist ein gewagtes Experiment, welches nicht jedem Spieler schmecken wird. Es ist an Spieler gerichtet, die es anspruchsvoll mögen und sich auf billige Tricks des Horrors, wie Jump Scares nicht einlassen. Es verlässt die typischen – mit Horror-Spielen assoziierenden – Bahnen und fordert die Spieler dazu auf sich auf die Eindrücke einzulassen, statt vor ihnen zu fliehen. Es ist eine surreale Reise wie keine andere, die undurchsichtig und kompliziert zu durchschauen ist. Es lädt zum Interpretieren ein und überfordert den Spieler, dank eines minimalistischen Gameplays, zu keinem Zeitpunkt. Grafisch setzt man zwar keine Maßstäbe vermittelt jedoch gekonnt die bedrückende Stimmung. Sowohl visuell als auch akustisch schaffen es die Entwickler eine Geschichte zu erzählen, auch wenn die Stilisten Mittel des Environmental Storytelling nicht vollends gemeistert werden konnten. Spielerisch patzt man ein wenig mit der Steuerung, doch dem Gesamteindruck tut dies keinen Abbruch. Der Preis von knapp 13 Euro für PC und 15 (Xbox Live) bzw. 20 Euro (PlayStation) auf Konsole mit seiner eineinhalb bis zwei Stunden langen Kampagne erscheint mir aus meiner Sicht für gerechtfertigt. Ich vergebe:

6 von 10 Punkten