Mit Unknown 9: Awakening hatte Bandai Namco scheinbar große Ziele. Man versuchte eine komplett neue Franchise aus dem Boden zu stampfen und hat dazu noch vor der Veröffentlichung des gleichnamigen Spiels so richtig Gas gegeben. Für die Hauptrolle der Haroona hat man nicht nur die Schauspielerin Anya Chalotra angeheuert, die den meisten aus der Netflix-Serie „The Witcher“ bekannt sein dürfte. Zusätzlich wurden Comics, eine Romantrilogie und Podcasts veröffentlicht, um das Produkt zu bewerben und ich muss zugeben, dass ich die Idee zur Spielwelt durchaus interessant fand. Schon der erste Teaser-Trailer vor vier Jahren sah in meinen Augen vielversprechend aus. Aber schöne und spannende Trailer sind das eine, und das fertige Spiel ist natürlich noch mal was ganz anderes.
Was uns die Entwickler von Reflector Entertainment und Publisher Bandai Namco auftischen, wird wohl den wenigsten schmecken. Warum ich dieser drastischen Auffassung bin, verrate ich euch gerne in diesem Test.
Eine Welt im Bruch
Die Spieler schlüpfen in die Rolle der Quaestorin Haroona, die mit einer ganz besonderen Gabe geboren wurde: Sie kann in den Bruch reisen – eine geheimnisvolle Dimension, die mit unserer eigenen Welt verbunden ist. Auf ihrer Suche nach dem mächtigen, dort verborgenen Wissen muss Haroona auch lernen, mit ihrer einzigartigen Verbindung zum Bruch umzugehen. Damit kann sie nämlich dessen Kräfte in unsere Welt lenken. Um diese Gabe zu meistern, steht ihr ihre Mentorin Reika stets zur Seite. Bei einer Erkundungsmission, bei der sich Reika und Haroona im Fokus der Aufsteiger wiederfinden, kommt Reika ums Leben und Haroona wird verschont. Von diesem Tag an schwört Haroona Rache und reist alleine durch die Welt, um die Machenschaften des Geheimbundes der Aufsteiger – einer Splittergruppe der LYS – zu beenden und das Schicksal der Menschheit für immer zu verändern.
Nicht auf der Höhe der Zeit
Die Entwickler haben für Unknown 9: Awakening auf die Unreal Engine 4 gesetzt. Dadurch sieht das Spiel jetzt schon ziemlich alt aus, zumindest im Vergleich mit aktuellen Titeln wie Warhammer 40,000: Space Marine 2 oder auch Senua’s Saga: Hellblade 2. Die Animationen und Mimiken der Charaktere sind nicht auf dem aktuellen Stand und ob der Silberblick der Hauptfigur beabsichtigt war, wage ich hier stark zu bezweifeln. Weder Haroona noch andere Protagonisten schauen sich über eine längere Zeit in die Augen. Das wirkt nicht nur befremdlich, sondern in einigen Situationen auch unfreiwillig komisch, wodurch die Atmosphäre leidet.
Außerdem ist die technische Umsetzung nicht optimal. Ich habe auf der PS5 nicht nur im Spielgeschehen, sondern auch in den Zwischensequenzen Ruckler erlebt. Außerdem gibt es noch Bugs, die einen daran hindern, weiterzuspielen. Während des gesamten Spielens kam es vor, dass ich plötzlich nicht mehr rennen und mit der Welt interagieren konnte. Dadurch konnte ich nicht mehr durch Türen gehen, über Abgründe springen oder Sammelobjekte aufheben. Nur ein Neustart des Spiels mit dem letzten gespeicherten Spielstand hat hier Abhilfe geschaffen.
Auch die Spielbeleuchtung hatte manchmal ihre Aussetzer. Einige Szenen blieben völlig dunkel, obwohl sie erhellt sein sollten. Auch der Sound war nicht immer einwandfrei. Manchmal klangen die Gegner männlich, aber sie sprachen wie Frauen, was für Verwirrung sorgte. Bei all den Spielfehlern, die mir aufgefallen sind, habe ich die nachladenden Texturen und die unzähligen Clipping-Fehler kaum noch wahrgenommen.
Ob die Interaktionen mit den Begleitern ebenfalls als Spielfehler angesehen werden können oder so gewollt sind, kann ich an dieser Stelle gar nicht mehr sagen. Diese wurden nämlich null inszeniert oder Choreografiert. Die Figuren bewegen sich in einer festgelegten Route im Raum oder stehen an einer bestimmten Stelle fast regungslos da. Wenn wir mit ihnen interagieren, wird einfach nur der eingesprochene Text der Synchronsprecher abgespielt. Sie schauen dabei weder Haroona an, noch schaut Haroona sie an, und wenn wir den Bereich verlassen, bevor der Dialog zu Ende ist, und wieder zurückkehren, dann wird bei einer erneuten Interaktion mit dem Protagonisten derselbe Dialog von vorne abgespielt. Das hätte ich in modernen Spielen nicht mehr erwartet.
Hallo Mittelmaß, mein Name ist Unknown 9: Awakening
Aber Grafik und Technik sind natürlich nicht alles. Ich habe schon oft erlebt, dass Spiele mit schlechter Grafik und mangelnder Technik durch ein geniales Gameplay überzeugen können. Bei „Unknown 9: Awakening“ habe ich diese Hoffnung jedoch ziemlich schnell aufgegeben. Dabei liegt es nicht mal an den Ideen, sondern einzig und allein an der Umsetzung.
Das Gameplay basiert auf folgenden Spielmechaniken: Die Spielwelt muss in einer Art Schlauchsystem erkundet werden. Außerdem gibt es kleine abgesperrte Areale, in denen alle Gegner getötet werden müssen. Spannend inszenierte Zwischensequenzen oder andere auflockernde Elemente hat man leider nicht eingebaut.
Haroona hat als Questorin außergewöhnliche Fähigkeiten die nicht nur im Kampf, sondern auch im Verborgenen zum Einsatz kommen können. Leider wird ihr Potenzial hier überhaupt nicht genutzt, weder was den Stealth- noch was den Kampfaspekt betrifft. Die Gegner sind leider ziemlich dumm, was ein spannendes und taktisches Schleicherlebnis verhindert. Dafür hat man sich aber abwechslungsreiche Mechaniken einfallen lassen.Bei den Scharmützeln im Stealth-Modus und beim Kampf werden wir jedes Mal in einem kleinen Areal eingesperrt. Erst wenn alle Gegner am Boden liegen, geht es weiter.
Im Areal finden sich überall Kanister, Öllampen und andere Objekte, die wir taktisch gegen unsere Feinde einsetzen können. So können wir zum Beispiel aus dem hohen Gras heraus Kanister zum Explodieren bringen oder Öllampen umkippen lassen. Dadurch können wir die Feinde in der Nähe entweder in die Luft sprengen oder in Brand setzen. Was anfangs noch ganz gut klappt, wird später zur Geduldsprobe, weil die Gegner plötzlich mehr einstecken können. Eine einzelne Explosion reicht da nicht mehr aus.
Zum Glück kann Haroona sich auch anschleichen und die Feinde hinterrücks erledigen. Wenn die Route der Feinde nicht an uns vorbeiführt, kann Haroona eine Lichtkugel werfen, um die Feinde an eine gewünschte Position zu lotsen. Außerdem ist Haroonas Blick in den Bruch praktisch, weil uns dadurch alle Gegner und Fallen angezeigt werden. Später kann Haroona auch durch feindliche Geräte entdeckt werden. Deshalb sollten wir unsere Umgebung immer gut erkunden. Zudem kann Haroona für einen kurzen Augenblick die Kontrolle über die Gegner übernehmen, um so deren Waffen gegen ihre Feinde einzusetzen. Ist Anfangs nur der Sprung in nur einen Gegner möglich, können wir später eine Kette von bis zu vier Sprüngen durchführen, wodurch eine weitere taktische Komponente hinzukommt. Diese Spielmechanik hat mir besonders gut gefallen.
Wenn Haroona entdeckt wird, können wir uns entweder unsichtbar machen und schnell abtauchen, oder wir stellen uns dem Kampf. Dieser ist allerdings nicht besonders vielfältig, denn Haroona kann nur eine einzige Kombination von Angriffen ausführen. Wenn wir die R1-Taste mehrmals drücken, führt sie eine Reihe von leichten Angriffen aus. Wenn der Gegner unseren Angriff blockt, müssen wir die R1-Taste länger gedrückt halten, dann führt Haroona einen starken Angriff aus, um den Block zu durchbrechen.
Das wird ziemlich schnell eintönig. Später kann man die Gegner zwar auch mit Bruchattacken ins Wanken bringen, um mächtige Finisher durchzuführen, aber zum einen gibt es nur eine einzige Animation dafür und zum anderen reicht ein Finisher nicht aus, um sie zu besiegen. Außerdem ignorieren Gegner oft unsere Schläge und gehen direkt in den Gegenangriff über. Haroona kann auch blocken und parieren, aber auch das klappt nur mittelmäßig, weil sich das Timing hierfür durch den mangelnden technischen Zustand nur schwer ermitteln lässt.
Gefühlte Lustlosigkeit
Im Laufe der Kampagne können wir Haroonas Fähigkeiten noch ausweiten und verbessern. Beispielsweise können wir unseren Schild aufbessern, sodass er nicht nur Kugeln abwehrt, sondern sie auch in andere Gegner lenkt. Außerdem können wir uns länger unsichtbar machen. In drei unterschiedlichen Fähigkeitsbäumen können wir die Kategorien Kampf, Stealth und Bruchfähigkeiten aufbessern. Statt durch Kämpfe Erfahrungspunkte zu sammeln und wie in einem Rollenspiel zu leveln, müssen wir die Fähigkeitspunkte in der Spielwelt entdecken. Das ist eine interessante Herangehensweise, die aber vielleicht gerade diejenigen bestraft, die nicht gerne erkunden.
Außerdem gibt es in der Spielwelt noch andere Sammelobjekte. So können wir zum Beispiel antike Münzen, Briefe, Artefakte und andere Objekte entdecken. Ich frage mich, ob die Entwickler vielleicht keine Ideen oder keine Lust hatten, die Sammelobjekte besser zu beschreiben. Im Menü werden sie nämlich nur durchnummeriert. Außerdem gibt es in der Spielwelt immer wieder ein und dasselbe Metallgitter, durch das wir hindurchgehen müssen, um zum nächsten Areal zu gelangen. Egal, ob wir uns in den Slums von Indien, im Keller eines Herrenhauses, in einer Höhle oder in antiken Ruinen befinden – an all diesen Orten finden wir immer dieses spezielle rote Metalltor.
Fazit
„Unknown 9: Awakening“ ist insgesamt ein mittelmäßiges Spiel, das in keiner Spielmechanik wirklich überzeugen kann. Die KI ist wirklich nicht gut und sowohl die Stealth- als auch die Kampfmechanik sind nicht gut durchdacht. Obwohl das Spiel durchaus solide ist, zeigt dieser Titel, dass eine interessante Idee allein noch kein gutes Spiel ausmacht. Die spannende Spielwelt, die mich ab dem ersten Ankündigungstrailer in ihren Bann ziehen konnte, kommt hier leider überhaupt nicht zur Geltung. Die Geschichte dümpelt vor sich hin und ist langweilig inszeniert. Die Charaktere kommen oft durch einzelne Dialogzeilen schnippisch und unsympathisch rüber, was nicht gerade vorteilhaft ist.
Das Spielschema wiederholt sich ständig und es gibt einfach zu wenig Abwechslung. Auch die vielen unterschiedlichen Kulissen können darüber nicht hinwegtrösten. Nach knapp acht Stunden war ich froh, als der Abspann kam, denn der Spielspaß hielt sich in Grenzen. Was bleibt, ist Ernüchterung. Ich frage mich, was wohl ein anderes Studio aus dem Material gemacht hätte. Mit so einem mittelmäßigen Produkt kann man keine Franchise aufbauen, sondern zerstört sie, bevor sie richtig wachsen kann. Ich vergebe:
4.5 von 10 Punkten