Am 26. Juli 2007, hierzulande knapp ein Jahr später am 18. April 2008, gelang Publisher Square Enix eine kleine Sensation auf dem Nintendo DS. Das Action-Rollenspiel „The World Ends with You“ nutzte auf clevere Art und Weise die Aspekte der DS Konsole aus und überzeugte nicht nur mit einem stylischen Artdesign, sondern auch mit einer spannenden Story. Sowohl Kritiker als auch Fans waren gleichermaßen von diesem Werk begeistert. Und auch ich konnte mich dem Charme nicht erwehren und habe das Spiel von der ersten Spielminute geliebt.
13 Jahre später kann ich mich ehrlich gesagt kaum noch an den Titel erinnern. Den DS hab ich schon ewig nicht mehr genutzt und auch wenn das Spiel 2014 auf Android Plattformen und 2018 sogar als Final Mix für die Nintendo Switch portiert wurde, habe ich es leider nicht noch einmal gespielt. Dementsprechend bin ich quasi als Neuling in den aktuellen Nachfolger „NEO: The World Ends with You“ eingestiegen und ich kann euch sagen, dass ein entsprechendes Vorwissen zwar von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich ist. Aber viel brennender war für mich die Frage, wie die Entwickler das Kampfsystem umgesetzt haben. Immerhin konnte ich mich noch genau daran erinnern, wie ich auf dem Nintendo DS gewischt, in den DS gerufen habe und Feinde mit dem Stylus-Stift eingekreist habe. Mit einem üblichen Controller fallen solche Spielereien leider weg. Kann der Titel also auch ohne die Features der DS überzeugen? Und ist der Titel nur was für Fans des Erstlings oder können sich auch Neulinge an dieses doch recht ungewöhnliche Werk herantrauen? Diese Fragen und mehr beantworte ich euch in meinem Test.
https://youtu.be/9Yo4rMiKbJo
Zurück im Spiel
Die Handlung in „NEO: The World Ends with You“ setzt drei Jahre nach den Ereignissen des Erstlings oder besser gesagt nach dem neuen Final Remix an und entführt euch erneut ins Spiel der Reaper, welches seltsamen Regeln folgt und außerhalb der realen Welt zu existieren scheint.
Zunächst wirkt alles ganz normal für Rindo und seinen unbekümmerten Klassenkameraden Fret, doch als sie sich in einem telekinetischen Kreuzfeuer eines übernatürlichen Kampfes mitten auf der Shibuya-Kreuzung wiederfinden, gerät ihre Welt aus den Fugen. Noch bevor sie sich von dem Schrecken erholen können, erscheint ein mysteriöses Mädchen und heißt die beiden im „Spiel der Reaper“ willkommen. Anfangs nehmen sie diese „Einladung“ als eine Art Scherz oder Event wahr, doch schnell wird ihnen bewusst, dass viel mehr dahintersteckt. Sie sind gefangene in einem perfiden Spiel, wo nur die Sieger weiterkommen und der Rest ausgelöscht wird.
Von nun an bekommen Rindo und Fret täglich neue Anweisungen aufs Smartphone geschickt und müssen verschieden Aufgaben erfüllen, um im Reaper-Game nicht zu verlieren. Da ein Team im Spiel der Reaper aus mindestens drei Mitgliedern bestehen muss, schließen sich im weiteren Verlauf die nerdige Studentin Nagi sowie der geheimnisvolle Minamimoto dem Duo Rindo und Fret an. Jedes Team hat nur sieben Tage Zeit so viele Punkte wie nur möglich zu sammeln, um als Sieger hervorzutreten. Nur die Gruppe an der Spitze gewinnt das Spiel und bekommt einen Wunsch erfüllt. Dazu zählt auch die Rückkehr ins alte Leben.
Stilsicher durch Shibuya
Auch wenn „NEO: The World Ends with You“ nun komplett in eine 3D-Welt versetzt wird, bleibt man dem Original dennoch treu und zaubert eine wunderschöne und stilsichere Spielwelt auf den Bildschirm. Das Spiel sieht aus wie ein spielbarer Comic, was auch durch die Inszenierung der Zwischensequenzen noch einmal unterstrichen wird. Die Figuren sowie Umgebung werden wie in einem Comic umrandet und Sprechblasen geben den Dialog oder die Gedanken der Spielfiguren wieder. Es passt alles wunderbar zusammen.
Doch nicht nur der Grafikstil ist vertraut geblieben, auch der Soundtrack gibt zwar neue aber dennoch vertraute Töne von sich. Einige der alten Titel wurden neu für den Ableger aufgelegt und viele neue rockige Titel sind dazugekommen. Mit 51 Songs sollte für jedes Gehör etwas Stimmiges dabei sein. Etwas schade ist, dass man Shibuya weiterhin in kleinere Gebiete unterteilt hat, die durch kurze Ladezeiten voneinander getrennt werden. Eine kleines Open World ähnliches Areal hätte mir persönlich weitaus besser gefallen, vor allem weil ich mich ständig in den Stadtteilen verirrt habe und es für mich nicht wirklich nachvollziehbar war, wie nun die einzelnen Gebiete miteinander verbunden waren.
Aber sei es drum, dafür kann das Spiel erneut mit einem frischen Kampfsystem überzeugen.
Pin um Pin
Zwar kann der neuste Ableger nicht mit den Features einer DS glänzen, dennoch haben sich die Entwickler etwas Neues einfallen lassen. Erneut setzt man dabei auf die sogenannten Pins. Jeder Pin steht dabei für eine individuelle Fähigkeit, die im Kampf eingesetzt werden kann. Jede Figur kann mit einem Pin ausgerüstet werden, später auch mehr, aber konzentrieren wir uns zunächst auf die Grundmechaniken. So kann ein Pin für eine Nahkampfattacke stehen oder einen Fernkampffangriff, für Heilung, Schild oder einen kinetischen Angriff. Im Kampf steuert ihr dann bis zu vier Charaktere gleichzeitig, was ziemlich chaotisch und unübersichtlich werden kann. Ausweichen ist nur mit dem Charakter möglich, mit dem ihr zuletzt angegriffen habt, was für eine taktische Variable sorgt.
Jeder Pin wird durch einen anderen Tastendruck ausgelöst, sodass ihr ständig eine Kombination aus bis zu vier Tasten gleichzeitig ausführen müsst. Es klingt auf dem Papier vielleicht ziemlich kompliziert, doch schon nach wenigen Minuten hat man das Kampfsystem zumindest auf den leichteren Schwierigkeitsstufen raus. Erst auf höheren Schwierigkeitsstufen wird das Zusammenspiel von Kombos und Cooldowns der Angriffe zu einem essenziellen Bestandteil der Spielerfahrung. Jeder Angriff hat einen Cooldown. Nach einer bestimmten Anzahl an Angriffen muss der Angriff sich wieder aufladen, bevor er erneut eingesetzt werden kann. Zudem kann aus dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Angriffe ein Kombozähler in die Höhe gejagt werden, um bei 100 % eine verheerende ultimative Attacke auszulösen.
Manche Gegner können auch eine Schwäche gegen bestimmte Elemente haben, sodass ihr auch hier beim Ausrüsten der Pins auf Vielfalt setzen solltet. Wenn jeder Held mit starken Blitzangriffen ausgestattet ist, der Feind jedoch dagegen immun ist, dann ist der Kampf bereits verloren, bevor er überhaupt beginnen konnte. Zudem kann man sich am Controller ziemlich verkrampfen, wenn man zum Beispiel Attacken auswählt, die durch Festhalten und loslassen der hinteren Tasten ausgelöst werden. So fand ich mich in einer Situation wieder, wo ich die R1-Taste festhalten und loslassen musste, die L2-Taste permanent festhalten musste und ein Angriff über die L1-Taste genauso wie bei der R1-Taste funktionierte. Das war mehr als unglücklich. Doch mit über 300 unterschiedlichen Pins steht euch eine schier unfassbare Menge an Kombinationen zur Verfügung.
Rollenspieltypisch erhaltet ihr auch Erfahrungspunkte und steigt im Level auf, doch anders als gedacht steigern sich dadurch nicht alle eure Attribute. Stattdessen erhöht sich nur die Lebensanzeige. Für die Skalierung der Stärke sind eure Pins zuständig. Diese leveln separat bis zu einem Maximalwert, ist dieser erreicht, muss der Pin durch einen stärkeren ausgetauscht werden oder muss weiterentwickelt werden. Weiterentwicklungen werden automatisch eingeleitet, doch nicht jeder Pin ist dazu in der Lage. Zum Glück erhaltet ihr nach jedem Kampf genug Pins, um immer auf dem neusten Stand zu sein. Darüber hinaus können Pins in Läden erworben werden und wer seine anderen Werte permanent steigern möchte, kommt um Bekleidung nicht drum herum.
Kleidung kann in den zahlreichen Läden der einzelnen Stadtteile erworben werden. Da man beim Ausrüsten der Kleidung auf das Geschlecht pfeifen kann, sehen einige Kombinationen recht seltsam aus, wie ihr im Screenshot oben drüber sehen könnt. Eine punkige Frisur, ein schönes Top, dazu weiße Jeans, Flip-Flops und knallbunte Fingernägel. Das ist das erste Rollenspiel, bei dem ich froh bin, dass die Ausrüstung nicht visuell im Spielgeschehen widergespiegelt wird. Darüber hinaus lassen sich die einzelnen Werte für den nächsten Kampf durch Nahrung aufbessern. Dieses Feature solltet ihr unbedingt kurz vor einem Bosskampf nutzen.
Weitere Vorteile lassen sich über das sogenannte „soziale Netzwerk“ freischalten, was mit einem Skill-Tree verglichen werden kann. Einige Vorteile sind ganz banal, wie die Erweiterung des Menüs eines Restaurants oder neue Klamotten, doch andere wiederum erweitern die Spielmechaniken oder erleichtern euch erheblich den Spielfortschritt.
Fazit
„NEO: The World Ends with You“ wird definitiv nicht jedem gefallen. Schon allein der Grafikstil ist Geschmackssache. Das Gesamtwerk ist ein stylisches Experiment, welches durchaus überzeugen kann. Wer sich darauf einlässt erlebt eine spannende Geschichte mit ernstem Thema. Die Charaktere sind recht Klischeehaft, doch überzeugen sie dennoch mit liebevollem Design und Dialogen. Das Kampfsystem ist frisch und überzeugt mit einer taktischen Finesse, die jedoch erst auf höheren Schwierigkeitsstufen zum Tragen kommt. Wer sich nicht recht entscheiden kann und nicht wirklich schlauer aus meinem Test hervorgegangen ist, dem lege ich die Demo an die Hand. Hier könnt ihr selbst die Spielmechaniken austesten und für euch selbst entscheiden, ob der Titel was für euch ist.
Ich selbst hatte großen Spaß daran durch die unterschiedlichen Stadtteile zu laufen und die Geschichte in ausgedehnten Dialogen zu verfolgen. Dennoch war das erste Drittel des Spiels, also die erste Woche, ziemlich zäh und fühlte sich wie ein zu lang gezogenes Tutorial an, da jeden Tag eine neue Spielmechanik vorgestellt wurde. Erst in der zweiten Woche nimmt die knapp 50-stündige Kampagne richtig Fahrt auf. Dementsprechend vergebe ich