Mich persönlich konnte bereits der erste Trailer von „Nobody Wants to Die“ voll in seinen Bann ziehen. Neben der beeindruckenden Grafik, die von der Unreal Engine 5 befeuert wird, stachen im besagten Trailer besonders die dichte Atmosphäre und vor allem der futuristische Look a la Blade Runner heraus. Da es sich jedoch um einen Ankündigungstrailer handelte und wir noch relativ wenig Gameplay zu Gesicht bekommen haben, blieb ich selbstverständlich skeptisch.
Zu meiner Überraschung kann man sich jetzt schon von der Qualität des Spiels überzeugen, denn der futuristische Noir-Krimi „Nobody Wants to Die“ ist am 17. Juli 2024 in digitaler Form für PlayStation 5, Xbox Series X/S und den PC zum Preis von 24,99 Euro veröffentlicht worden, und das nur knapp vier Monate nach dem Ankündigungstrailer.
Was das Erstlingswerk des polnischen Indie-Studios Critical Hit Games zu bieten hat, verrate ich euch hier in unserem Test. Also viel Spaß und danke an dieser Stelle an den Publisher PLAION, die uns ein Testmuster für die PlayStation 5 zukommen ließen.
https://youtu.be/rZD5prrW1qo?si=EO6eY-t-KnLAPFFJ
Eine Welt voller Götter
„Nobody Wants to Die“ entführt euch nach New York des Jahres 2329, wo die Sterblichkeit der Vergangenheit angehört, vorausgesetzt, man kann es sich leisten. Alles hat seinen Preis. Die Gesellschaft verkommt und die Moral schwindet, besonders bei denen, die ewig zu leben scheinen.
Die Spieler schlüpfen hierbei in die Haut von Detective James Karra, der nach einer kürzlichen Nahtoderfahrung eigentlich nicht im Aktiven sein sollte. Zudem wird er von Nebenwirkungen seines neuen Körpers geplagt. Da James mit vielerlei Problemen zu kämpfen hat, willigt sein Chef ein, ihm einen augenscheinlich leichten Job zu übermitteln. Er soll den Ichorit, das Bewusstsein eines kürzlich verstorbenen Aristokraten, bergen.
Bei seiner Eingliederung in den Job wird ihm die junge Polizistin Sara Kai zur Seite gestellt. Am Tatort angekommen stellt James schnell fest, dass es sich hierbei nicht um einen Unfalltod oder Suizid handeln kann. Zudem ist der Ichorit des Verstorbenen komplett zerstört und somit kein Transfer in einen neuen Körper möglich. Dank der fortschrittlichen Technologie und der Zeitmanipulation erforschen James und Sara den Tatort, um dem Mörder auf die Spur zu kommen. Unwissend, dass dies nur der Beginn einer langen Jagd nach einem Serienmörder wird, der es auf die Elite der Stadt abgesehen hat.
Ein sauberes Ding
Zunächst möchte ich den technischen Aspekt von „Nobody Wants to Die“ hervorheben, bevor ich euch zu den Gameplay-Mechaniken komme. Grafisch ist das Spiel eine echte Wucht und bezaubert mit unglaublich detailreichen sowie abwechslungsreichen Schauplätzen. Egal ob sich James gerade eine Zigarette über der Skyline New Yorks gönnt oder wir die reiche Suite eines Ermordeten erkunden. Es gibt immer etwas, worüber man staunt. Wenn man noch bedenkt, dass die Schauplätze dank der Zeitmanipulation in zig Variationen erkundet werden, ist es wirklich beeindruckend. Zudem ist das Spiel in einem einwandfreien Zustand ausgeliefert worden. In meinen zwei Durchgängen habe ich nur einen kleinen Übersetzungsfehler entdecken können, doch das ist durchaus verkraftbar.
Dennoch habe ich auch etwas auszusetzen, denn so sauber das Spiel auch läuft, ist leider nicht vollends alles gelungen. So wirken in vielen Situationen die Animationen recht hölzern oder unnatürlich, vor allem in den gescripteten Sequenzen, wo wir Spieler die Kontrolle über James abgeben und dieser sich plötzlich verkrampft. Auch die Charaktere können nicht ganz mit der grafischen Pracht der Umgebungen mithalten. Doch das ist Meckern auf hohem Niveau. Insgesamt war ich sehr beeindruckt von der grafischen Darstellung des Spiels.
Abseits der kleinen erwähnten Mankos überzeugt nicht nur die Grafik, sondern auch der wunderbar jazzige Soundtrack, der passend zu dem Noir-Flair beiträgt. Dass dieser so gut klingt, ist kein Wunder, denn hierfür wurde der preisgekrönte Komponist Mikolai Stroinski engagiert, der bereits für Titel wie The Witcher 3, Diablo Immortal, League of Legends und Age of Empires 4 komponiert hat. Auch die Atmosphäre ist durchweg gelungen und unterstreicht die dystopische Zukunftsvision.
Von einer Inspiration zur nächsten
Während ich die Welt von „Nobody Wants to Die“ erkundete, erinnerte mich das Spiel gleich an mehrere bekannte Franchises. Die wohl offensichtlichste Inspiration der Entwickler liegt ganz klar auf der Hand: „Blade Runner“. Schon in der Eröffnungssequenz sehen wir die wunderschöne Skyline mit fliegenden Autos, neonbeleuchteten Reklamen und einer riesigen holografischen Frau, die Werbung für neue Körper macht. Bei der Geschichte jedoch musste ich unweigerlich an die Netflix-Serie „Altered Carbon“ denken. Auch hier wird der Verfall der Gesellschaft durch eine unsterbliche Bevölkerung thematisiert.
Darüber hinaus vermischen die Entwickler den futuristischen Look mit dem eines Noir-Films aus den 60ern, was zu einer originellen Designphilosophie führt und mir persönlich gut gefallen hat. Bei der Kernmechanik des Spiels, der Zeitmanipulation, wurde ich unweigerlich an den Ego-Shooter „Singularity“ von Raven Software aus dem Jahr 2010, aber auch an CD-Projekt Reds „Cyberpunk 2077“ erinnert.
In „Singularity“ habt ihr nämlich ebenfalls einen Handschuh, mit dem ihr die Zeit manipulieren könnt, und ihr müsst diesen nutzen, um zerfallene Brücken wiederherzustellen oder andere Objekte. Das sah damals sehr eindrucksvoll aus, wie die Objekte per Knopfdruck in Echtzeit entweder aufgebaut wurden oder eben wieder verwitterten. Ähnlich wie es nun in „Nobody Wants to Die“ abläuft, doch anstatt sich hier alles wieder zum Ursprungspunkt automatisch zurücksetzt, habt ihr die komplette Kontrolle darüber, ähnlich wie im sogenannten „Braindance“ bei „Cyberpunk 2077“. Dabei handelt es sich um eine aufgezeichnete Erinnerung, die ihr im Spiel wie eine Videoaufzeichnung hin und her spulen könnt, um Hinweise zu entdecken.
Der Rollercoaster-Detective
Wer bei „Nobody Wants to Die“ viel Action erwartet, wird vermutlich enttäuscht, denn hier geht es um eine narrativ getriebene Neo-Noir-Krimi-Geschichte. Man kann das Gameplay am ehesten mit den Supermassive-Games vergleichen (Until Dawn, The Quarry), ohne die vielen Quick-Time-Events, auch wenn diese ebenfalls hier vorhanden sind.
Als Spieler wird man von einem Schauplatz zum nächsten geführt, wo man einen kleinen Bereich erkunden kann. Während die wichtigen Hinweise, die die Handlung vorantreiben, einem buchstäblich ins Gesicht springen, kann man seine Erkundungsfreiheit dazu nutzen, mehr Objekte wie Zeitungsausschnitte, Bilder oder Statuen zu begutachten, um mehr zur Spielwelt zu erfahren. Für die Handlung sind diese Details zwar unwichtig, wer jedoch noch tiefer in die Welt eintauchen möchte, bekommt hiermit eine Gelegenheit hierzu. Zudem hilft einem die Detektivsicht dabei, wirklich keinen einzigen Hinweis unentdeckt zu lassen.
Damit wir die narrative Story auch wirklich ohne Hindernisse genießen können, werden wir bei allem an die Hand genommen. Nichts wird hier dem Zufall oder gar der spielerischen Freiheit überlassen. Es wird nur eure Aufmerksamkeit benötigt, nicht jedoch euer Hirnschmalz. So werdet ihr während der Zeitmanipulation nur nach und nach an die Ereignisse herangeführt. Dabei ist der Ablauf immer identisch.
Zunächst entdeckt ihr einen Hinweis. Ihr dürft die Zeit ein klein wenig zurückdrehen, bis zu einem bestimmten Punkt, wo der nächste Hinweis in einem sehr kleinen Bereich auf euch wartet. Tretet ihr in den Bereich, so wird nur dieser erhellt und der Rest des Raumes ausgeblendet, damit ihr den Hinweis gar nicht verpassen könnt, und dann dürft ihr die Zeit erneut etwas weiter zurückdrehen.
Es ist zwar alles visuell sehr spektakulär inszeniert, jedoch fühlt man sich wie ein Detektiv auf Schienen an, der gerade im Themenpark von einem sehenswürdigen Objekt zum nächsten geführt wird. Es ist äußerst bedauerlich, dass man Spielern keine detektivischen Fähigkeiten zutraut. Hier hätte man sogar aus der Prämisse Fehler zulassen können, wodurch sich der Handlungsverlauf womöglich sogar verändert hätte.
Stattdessen haben die Spieler eine andere Art von Freiheit erhalten, um die Handlung zu beeinflussen, die sogar in vier unterschiedliche Enden resultiert. Die Freiheit der Konversation. In den Dialogen können wir unterschiedliche Antworten liefern. Einige Dialogoptionen eröffnen sich uns tatsächlich nur, wenn wir zusätzliche Hinweise in der Umgebung untersucht haben, also ist auch die Erkundung zu einem gewissen Punkt wichtig. Doch abseits dieser einzigen Freiheit werden wir wie ein Kind an der Hand oder eben wie im Sitz einer Achterbahn geführt.
Selbst in der Beweisaufnahme, wo wir unsere gefundenen Indizien auf einem holografischen Brett ausbreiten und zu einem schlüssigen Ergebnis kommen sollen, existiert keine Fehlertoleranz. Haben wir schlüssig kombiniert, dann dürfen wir die nächsten Beweise kombinieren. Liegen wir mal falsch, dann wird das mit einem dicken roten „X“ markiert. Wir löschen diese Hypothese und kombinieren es mit einem anderen Beweis, bis es stimmt, und weiter geht’s. Einerseits cool, weil wir uns nicht den Kopf zerbrechen müssen und die Handlung schnell vorangetrieben wird, anderseits fühlt man sich kein bisschen wie ein Detektiv.
Fazit
„Nobody Wants to die“ ist eine grafische Wucht. Es bietet eine visuell spektakulär inszenierte Noir-Krimi-Geschichte, die mich von der ersten Spielminute an gepackt und erst gegen Ende wieder losgelassen hat. Und obwohl wir bereits am ersten Tatort alle Gadgets des Spiels wie UV-Lampe, Zeitmanipulations-Handschuh und Röntgenstrahl an die Hand bekommen, kam bei mir keine Langeweile auf. Das liegt vor allem an den vielen abwechslungsreichen Schauplätzen, die alle ihren eigenen Charme und unterschiedliche Atmosphären bieten. Auch der Soundtrack ist durchweg gelungen.
Es ist zwar bedauerlich, dass dem Spieler keine detektivischen Fähigkeiten zugetraut werden und wir ziemlich strikt durch die Handlung geführt werden, jedoch wird dieser Aspekt sicherlich allen gefallen, die sich nur auf eine spannende Geschichte konzentrieren möchten. Die einzige Freiheit der Spieler liegt in den Dialogoptionen, die die Handlung beeinflussen und unterschiedliche Enden hervorbringen. Was durchaus zu mehreren Durchläufen einlädt. Da ein Spieldurchlauf nur knapp fünf Stunden dauert, wird man sicherlich eher dazu neigen, die Kampagne erneut durchzuspielen, um ein anderes Ergebnis zu erblicken.
Ich hatte durchaus meinen Spaß an „Nobody Wants to Die“ und vergebe:
8 von 10 Punkte