Sieben Monate nach dem Xbox Series X/S und dem PC-Release ist das Horror-Adventure „The Medium“ nun auch auf der PlayStation 5 verfügbar und lockt mit exklusiven Features des PS5 Controllers. So sollen haptisches Feedback und die adaptiven Trigger für eine noch größere Immersion des Spielerlebnisses sorgen. Aber reicht das aus, um potenzielle Spieler vom Kauf zu überzeugen? Immerhin war das Spiel direkt zum Launch auch im Xbox Game Pass für PC und Xbox verfügbar, sodass mit Sicherheit auch viele unentschlossene Spieler den Titel ausprobierten. Ich für meinen Teil hatte das Spiel zwar im Blick, doch zu Beginn des Jahres hatten zahlreiche andere Titel meine Aufmerksamkeit. Dementsprechend froh war ich über die Gelegenheit „The Medium“ testen zu dürfen. Danke an dieser Stelle an Publisher Koch Media, die uns ein Testmuster zur Verfügung gestellt haben. In diesem Test verrate ich euch meine erschreckenden Erkenntnisse.
https://youtu.be/4z8NEmc4pe8
In „The Medium“ schlüpfen wir in die Haut von Marianne, die gerade dabei ist die Leiche ihres kürzlich verstorbenen Adoptivvaters Jack in dessen Bestattungsinstitut für seine letzte Reise auszustatten. Die Geschichte ist im Polen der späten 1990er Jahre angesiedelt. Marianne ist ein Medium, was bedeutet, dass sie sich nicht nur in der materiellen Welt, sondern auch in einer übersinnlichen Geisterwelt bewegen kann. Teilweise wandelt sie auch in beiden Welten gleichzeitig. Sie wird von einem wiederkehrenden Albtraum geplagt, in dem ein junges Mädchen an einem See erschossen wird.
Dieser Traum holt sie ausgerechnet an diesem bedeutsamen Tag wieder ein. Marianne erhält einen Anruf von einem gewissen Thomas, der sie darum bittet ihn am Niwa-Resort zu treffen. Das einstmalige Hotel- und Freizeitanlage wurde nach einem nicht aufgeklärten Massenmord an den Gästen, dem sogenannten Niwa-Massaker, stillgelegt. Thomas hat angeblich alle Antworten auf Mariannes Fragen. Er wisse von ihrer Gabe und sei auch in der Lage ihre Fähigkeiten zu verbessern. Selbstverständlich wird Marianne von ihrer Neugier gepackt und macht sich auf zum Niwa-Resort. Doch ob das eine gute Idee war? Am Resort angekommen spürt Marianne eine unbekannt bedrohliche Präsenz.
Eine Zwiegespaltene Welt
Mit „The Medium“ haben die Entwickler ein ganz spezielles Feature realisiert, welches noch nie zuvor in dieser Form genutzt wurde. Schon allein dieses Feature macht das Spiel sehr aufregend. Wie bereits erwähnt ist Marianne in der Lage in die Geisterwelt abzutauchen. So tauchen wir Spieler im Verlauf des Abenteuers in eine sehr düstere und abgedrehte Version der realen Schauplätze. Oft wird der reale Schauplatz und die Geisterwelt gleichzeitig in einem Splitscreen auf den Bildschirm gezaubert, was sehr cool aussieht. An anderer Stelle wandern wir mal nur in der realen Welt und mal in der Geisterwelt. Wer jetzt aber denkt, dass man ständig zwischen der Geisterwelt und der realen Welt auf Knopfdruck hin und herschalten kann, den muss ich leider enttäuschen. Leider sind solche Szenen, ob nun Splitscreen oder nicht, an feste Punkte der Geschichte verankert. Hierdurch schmälert man das Feature von genial zu nur noch ganz nett ab.
Der Rest des Gameplays orientiert sich an bereits bekannten Third-Person-Adventuren. Dementsprechend erfindet „The Medium“ das Rad nicht neu. Mit Marianne schlagen wir uns von einem Areal zum nächsten, suchen nach Hinweisen wie Tagebucheinträgen oder Postkarten und lösen recht simpel gehaltene Rätsel, um zum nächsten Areal zu kommen. Dank Tagebüchern und Postkarten erfahren wir Spieler viel mehr über die Spielwelt, einzelne Schicksale, aber auch das Niwa-Massaker, vorausgesetzt man hat Lust viel zu lesen. Darüber hinaus nutzt man Mariannes Gabe, um in einzelnen Gegenständen sogenannte „Echos“ zu finden, wodurch kurze Dialoge abgespielt werden, die ebenfalls mehr zur Spielwelt preisgeben. Zudem werden an einigen Stellen auch Personen als weiße starre Schatten, wie eine Art Standbild, dargestellt sowie ein Dialog eingestreut. Das ist alles ganz nett, aber wirklich packend ist anders.
Grusel wo steckst du?
Packend ist auch das richtige Stichwort. So richtig packen konnte mich „The Medium“ leider nicht. Auch an Horror oder Grusel hat es mir bei dem Titel gemangelt. Man muss dem Entwicklerteam zugutehalten, dass sie auf plumpe Jump Scares verzichten wollten. Ich habe mich insgesamt nur ein einziges Mal im Spiel erschrocken und zwar an dem einzigen Jump Scare im Spiel. Die Steuerung ist ein wenig ungelenk und unpräzise, das liegt auch ein wenig an der festen Kameraperspektive. Die Story kommt auch nur ziemlich langsam in Gang und kann selbst zum Schluss nicht vollends überzeugen.
Natürlich setzt man vor allem in der Geisterwelt auf Ekel, zum Beispiel wenn man eine fleischige Wand mit einem Messer mit Hilfe der Analog-Sticks langsam durchschneiden muss und diese dann ganz wabbelig und blutig nachgibt, doch macht Ekel allein ein gutes Horror-Spiel aus? Auch auf Konfrontationen mit Monstern oder dämonenhafte Kreaturen wird zum größten Teil verzichtet. Auf diese Weise hat man nur selten das Gefühl in einer bedrohlichen Welt festzusitzen. Man wird lediglich an einigen Stellen von einer alptraumhaften Kreatur gejagt, die zwar gruselig aussieht, doch eher nervig in Erscheinung tritt, als für atmosphärischen Horror zu sorgen. Marianne kann sich nicht verteidigen und so bleibt nur die Flucht. Da die Steuerung jedoch etwas ungelenk ist, kommt man nicht drum herum den Fluchtweg auswendig zu lernen, was in einigen Trial & Error Versuchen mündet. An anderer Stelle muss man sich auch an dem Wesen vorbeischleichen. Fängt uns das Wesen, dann ist direkt Game Over und ein deutlich zu langer Bildschirm trennt uns von einem neuen Versuch.
Ein deutlicher Twist
Weitaus positiver empfand ich hingegen die Spielabschnitte mit Thomas. Thomas bewegt sich in der Geisterwelt deutlich selbstischerer und besitzt mehr Kräfte als Marianne. Zudem dringt er in die Persönlichkeiten anderer Menschen ein und könnte ihre „Dämonen“ besiegen, stattdessen verfolgt er seine eigenen Ziele, doch diese möchte ich euch aus Spoiler gründen natürlich nicht verraten. An diesen Stellen haben mir die Entwickler gezeigt, dass sie durchaus in der Lage sind fesselnde Geschichten zu erzählen und Horror-Atmosphäre zu erschaffen. Vor allem aber auch mutige Themen wie sexueller Missbrauch von Kindern, Antisemitismus, häusliche Gewalt und vieles mehr anzusprechen und mit Respekt zu verpacken. Schade nur, dass diese Abschnitte sehr selten und kurz sind.
Fazit
An dieser Stelle möchte ich ganz ehrlich mit euch sein und euch verraten, dass ich das Spiel niemals beendet hätte, wenn ich nicht den Test dazu machen müsste. Ich liebe die Hommage an die 90er Adventure mit der festen Kameraperspektive, doch vor allem das Gameplay mit der unpräzisen Steuerung wird niemanden überzeugen können. Die Story schafft es ebenfalls nicht von der ersten Spielminute an zu fesseln. Zwar wird sie im Verlauf des Abenteuers deutlich spannender, aber bis dahin vergehen einige Spielstunden. Vor allem aber das Hauptfeature der zwei Spielwelten enttäuschte mich auf ganzer Linie. Hätte man per Knopfdruck zwischen den beiden Welten ohne Ladezeiten wechseln können, wäre es deutlich eindrucksvoller gewesen und hätte vermutlich das Prädikat „Next-Gen“ deutlich verdient, so bleibt es leider nur ein außergewöhnlich nettes Gimmick. Immerhin können sich PS5 Spieler über die immersiven Features des Dual Sense Controllers freuen. Die sind wirklich gut integriert und simulieren zum Beispiel Regentropfen per Vibration auf euren Händen. Aber diese Features können den Titel auch nicht retten.
Ein wirkliches Horror-Gefühl hat sich bei mir leider ebenfalls nicht eingestellt, weil es zum größten Teil an Bedrohungen fehlt. Hätte man zumindest in der Geisterwelt einige Kreaturen eingebaut, die Marianne hätten gefährlich werden können, dann wäre es möglichweise anders gewesen, aber Fakt ist, dass ich größtenteils gelangweilt vor dem Bildschirm saß. „The Medium“ hat sehr viel Potenzial und ich hoffe wirklich, dass die Entwickler die Idee der gespaltenen Welten nicht aufgeben, sondern versuchen weiter zu entwickeln, aber mit diesem Titel sind sie in meinen Augen deutlich gescheitert ein denkwürdiges Horror-Adventure abzuliefern. „The Medium“ reiht sich eher in die Abteilung der mittelmäßigen Adventures ein. Dementsprechend vergebe ich: