
Mit ihrem Erstlingswerk „Kingdom Come Deliverance“ haben die Warhorse Studios bewiesen, dass ein mittelalterliches Action-Rollenspiel auch ganz ohne Elfen, Magie oder anderen Fantasy-Elementen funktionieren kann. Sowohl Kritiker als auch Spieler zeigten sich begeistert von einer authentischen und detaillierten Darstellung des mittelalterlichen Böhmens, doch lässt sich dieser Erfolg widerholen? Nun, um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich mich für euch im Nachfolger „Kingdom Come Deliverance 2“ erneut ins mittelalterliche Böhmen gestürzt. Was wir erneut in der Haut von Heinrich erleben dürfen, erfahrt ihr hier.
Nun, um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich mich für euch im Nachfolger „Kingdom Come: Deliverance 2“ erneut ins mittelalterliche Böhmen gestürzt. Was wir erneut in der Haut von Heinrich erleben dürfen, erfahrt ihr hier.
Nur eine Botschaft überbringen
Wie bereits erwähnt, schlüpfen wir erneut in die Haut des jungen Heinrich. Die Handlung knüpft nahtlos an den Erstling an. Heinrich ist im Gefolge des jungen Adeligen Hans Capon nach Trosky zu Herrn von Bergow unterwegs, um diesem eine Nachricht zu überbringen. Die Hoffnung: ein neuer Verbündeter im Krieg gegen Siegesmund.

Doch bevor sie ihr Ziel erreichen, wird ihre Reise von einer Horde Banditen brutal unterbrochen. Wie durch ein Wunder überleben nur Heinrich und Hans den Angriff, weil sie sich für ein kurzes Bad von der Gruppe getrennt hatten. Doch die Erleichterung währt kurz – sie haben nicht nur die Nachricht für Herrn von Bergow verloren, sondern auch ihre gesamte Ausrüstung. Sie entkommen nur knapp ihren Häschern. Nun, schwer verwundet und in Lumpen gekleidet, versuchen sie die Burg Trosky zu erreichen. Leider ohne Erfolg, ihnen wird der Zugang verweigert. Viel schlimmer noch, sie werden ausgelacht und mit Dreck beworfen.

Schnell werden Pläne geschmiedet, um Herrn von Bergow doch noch irgendwie treffen zu können, doch ihr Eifer bringt die beiden zunächst nur an den Pranger. Und so beginnt ein unermüdlicher Kampf, um alles wieder ins rechte Lot zu bringen. Ein Abenteuer voll von Mut, Entbehrungen und der Hoffnung auf Rettung.

Falls euch nun die Frage aufkommen sollte, ob man zwingend den Erstling spielen sollte, um die Ereignisse von „Kingdom Come: Deliverance 2“ verstehen zu können, so kann ich euch beruhigen: das müsst ihr nicht. Auf der Flucht vor den Banditen wird Heinrich dermaßen schwer verletzt, dass er eine Art Fiebertraum durchlebt. Auf diese Weise werden euch die wichtigsten Ereignisse des Vorgängers im Schnelldurchlauf erzählt. Somit werden auch Neulinge auf den Stand der Dinge gebracht. Wer jedoch bereits mit den Mechaniken des Erstlings vertraut ist, wird sich definitiv schneller zurechtfinden können und bei der ein oder anderen Design-Entscheidung ein Auge zudrücken können. Wie bei der Speicherfunktion, um nur ein Beispiel zu nennen.

Es gibt nur vier Möglichkeiten zu speichern. In vielen Fällen speichert das Spiel automatisch, meistens wenn man eine Quest annimmt oder einen entscheidenden Punkt in einer Quest erreicht hat. Je nach Spielstil kann der letzte automatische Speicherpunkt dennoch mindestens eine Stunde oder länger zurückliegen. Hier haben die Entwickler bereits nachgesteuert und das Spiel speichert definitiv öfter automatisch ab als noch im Vorgänger.

Gespeichert wird auch, wenn Heinrich sich schlafen legt. Ein Schläfchen heilt zudem Heinrichs Gesundheit. Manuell abspeichern könnt ihr nur mit einem sogenannten „Retterschnaps“ oder über die Funktion „Speichern und Beenden“. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen, aber ich muss zugeben, dass diese Funktion die Spannung für mich im Spiel deutlich steigert. So habe ich mir vor allem am Anfang zweimal überlegt, ob ich eine Auseinandersetzung riskiere oder lieber den Schwanz einziehe. Ärgerlich waren da nur die Spielabstürze, aber keine Sorge: In meiner Preview-Version habe ich nur vier Abstürze in knapp 70 Spielstunden erlebt.

Die Entwickler der Warhorse Studios haben es sich auf die Fahne geschrieben, ein authentisches Rollenspiel zu erschaffen, welches in seinen Spielmechaniken fast schon in eine Simulation verfällt, wie dem Schmieden, der Alchemie und natürlich dem Kampfsystem. Hierzu zählen auch die leichten Survival-Aspekte des Spiels wie Hunger oder Müdigkeit. Heinrich muss ab und zu schlafen, sonst kämpft er mit Erschöpfung. Gleiches gilt für Hunger – wenn man nichts isst, kann man auch das Zeitliche segnen. Die Vernachlässigung beider Aspekte spiegelt sich in einer verkürzten Ausdauerleiste wider.

Mit dieser Entscheidung weichen sie auch stark von Casual-Spielen ab, die in erster Linie das Ziel haben, so viele Spieler wie möglich an die Hand nehmen zu wollen. Nichtsdestotrotz versuchen sie im zweiten Teil deutlich einsteigerfreundlicher zu werden, da sie direkt im Prolog viele Spielmechaniken aufzeigen und erklären. So stellen wir uns Hans Capon im Lager im Zweikampf, lernen das Würfelspiel kennen, welches stark an Poker mit Würfeln erinnert, oder sammeln Pflanzen, um diese am Alchemistisch zu einem Trank zusammenzubrauen.

From Zero to Hero
„Kingdom Come: Deliverance 2“ ist wie sein Vorgänger ein waschechtes Action-Rollenspiel. Wer seine Fähigkeiten verbessern möchte, muss diese auch zwingend nutzen. Zu Beginn des Spiels können wir Heinrich einer Rolle zuschreiben und somit die Basiswerte bestimmen. So können wir zwischen Soldat, Berater und Späher wählen. Der Soldat ist natürlich ein geübter Kämpfer, während der Berater sein Augenmerk auf Redekunst und Diplomatie legt und der Späher agiert am liebsten aus dem Schatten heraus. Welche „Klasse“ ihr zuerst wählt, spielt tatsächlich kaum eine Rolle, denn ihr werdet im Verlauf des Abenteuers zu einer Allzweckwaffe geschmiedet. Kaum eine Fähigkeit wird nicht an irgendeiner Stelle benötigt, vor allem wenn ihr jede Nebenquest mitnehmen wollt.

Dementsprechend ist man am Anfang in allen Fähigkeiten relativ schlecht. Doch keine Bange, man levelt ziemlich schnell auf. Ich habe zumindest das Gefühl gehabt, dass man deutlich schneller seine Fertigkeiten ausbauen kann, als es noch im Erstling der Fall war. Darüber hinaus haben die Entwickler einige Mechaniken entschlackt und vereinfacht. Unter anderem kann Heinrich von Anfang an lesen. Dadurch kann man einige Fertigkeiten auch aus Büchern verbessern. Während einige Bücher kurze Geschichten erzählen oder einige Hintergründe beleuchten und Heinrichs Wissen über die Welt steigern, finden wir auch Bücher zur Steigerung anderer Fertigkeiten wie Kampf, Schießkunst oder Heimlichkeit. Während es ausreicht, die normalen Bücher nur kurz zu überfliegen, müssen Fertigkeitsbücher zwingend für mehrere Stunden studiert werden, um deren Inhalt verinnerlichen zu können und als Belohnung einen Levelaufstieg zu erhalten.

Hat man einige Levelaufstiege in einer bestimmten Disziplin hinter sich gebracht, kann man in einem Untermenü zusätzliche Perks auswählen. Natürlich werden die besten Perks erst ab einem gewissen Level zugänglich, um die Balance der Herausforderung nicht zu gefährden. So könnt ihr zum Beispiel den Perk „Nicht totzukriegen“ freischalten, der euch mit 25 % an Lebenspunkten wiederbelebt, solltet ihr einen kritischen Punkt erreichen, oder ihr schaltet einen Perk frei, der den Schaden aller Waffen um 5 % erhöht. Insgesamt könnt ihr im Verlauf des Abenteuers an die 276 Perks freischalten und euch das Leben somit deutlich erleichtern.

Am meisten jedoch wurde am Kampfsystem gefeilt. Gerade dieses empfanden viele Spieler im Erstling noch als sehr frustrierend. Hatte man im Erstling noch sechs auswählbare Angriffspunkte gehabt (Kopf, linker Arm, rechter Arm, linkes Bein, rechtes Bein und Brustkorb), hat man dieses im Nachfolger auf vier Angriffspunkte mit dem Schwert reduziert (Kopf, linker Arm, rechter Arm und Beine). Dazu muss ich auch erwähnen, dass unterschiedliche Waffentypen auch unterschiedliche Angriffspunkte bieten. Im Faustkampf gibt es zum Beispiel nur drei Angriffspunkte (links, rechts und unten); kämpft ihr aber mit einer schweren Waffe wie einem Kriegshammer oder einer Axt, dann werden euch ebenfalls nur drei Angriffspunkte geboten. Das trifft zumindest für menschliche Gegner zu. Kämpft ihr gegen Hunde oder Wölfe, dann werden nur zwei Angriffspunkte geboten, unabhängig von der Waffe eurer Wahl.

Mit der Wahl der Waffe ändert sich zudem auch euer Kampfstil. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob ihr mit einem einhändigen Schwert, einer schweren Waffe, einem Langschwert oder einer Stangenwaffe kämpft. Auch ein Schild in der linken Hand verändert euren Kampfstil, wodurch sich insgesamt sieben unterschiedliche Kampfstile ergeben. Ähnlich wie in Beat ‚Em Ups lassen sich in jedem Kampfstil zudem unterschiedlich viele Angriffskombinationen erlernen, die euch im Kampf einen deutlichen Vorteil verschaffen können. Diese Angriffskombinationen erlernt ihr bei sogenannten Meistern. Die Meister könnt ihr auch zu einem Übungskampf herausfordern, um an einem sicheren Ort eure Fähigkeiten zu verbessern.

Darüber hinaus haben die Entwickler das Zeitfenster für Paraden und perfekte Blocks großzügig verlängert und das Symbol (ein grünes Schild), welches euch anzeigt, wann ihr die Parade oder den perfekten Block ausführen könnt, vergrößert. Hierdurch fallen die Kämpfe deutlich einfacher aus, dennoch solltet ihr die raue Welt von „Kingdom Come: Deliverance 2“ nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sobald man von mehr als zwei Gegnern umzingelt wird, kommt man selbst als geübter Kämpfer schnell in Bedrängnis.

Zudem spielt auch die richtige Ausrüstung eine wichtige Rolle. Wer nur Lumpen trägt, für den kann jeder Schlag tödlich enden. Heinrich ist anfälliger für Blutungen oder andere Verletzungen. Hier können nur Verbände Abhilfe schaffen, doch die könnt ihr nur außerhalb eines Kampfes benutzen. Auch die Ausrüstung lässt sich nicht mitten im Kampf wechseln. So solltet ihr euch stets auf das Schlimmste vorbereiten, denn die mittelalterliche Welt ist skrupellos und brutal. Zur realitätsnahen Abbildung der Ausrüstung gehört auch dazu, dass ihr Metallrüstungen wie Brustpanzer oder Helme nicht einfach auf die nackte Haut anziehen könnt. Ihr müsst immer für zusätzlichen Schutz durch eine Polsterung wie einem Gambeson sorgen.

Authentisch bis ins kleinste Detail
Besonders beeindruckend ist die Liebe zum Detail, mit der die Entwickler ans Werk gegangen sind. Jede Ortschaft, jede Waffe oder Rüstung ist authentisch bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Keine Ortschaft gleicht der anderen. Zur authentischen Immersion des Spiels trägt auch der Tag- und Nachtzyklus sowie das dynamische Wetter bei und natürlich auch das realitätsnahe Verhalten der NPCs. Am Tage gehen sie einer Beschäftigung nach und am Abend schlafen sie in ihren Betten. Sie verscheuchen euch aus ihren Häusern und wenn ihr euch weigert zu gehen, dann werden sie handgreiflich oder beschweren sich bei den Wachen.

Erwischen sie euch bei einer Straftat, dann hetzen sie euch die Wachen auf den Hals. Für eure Verbrechen müsst ihr dann auf unterschiedliche Weise bezahlen. Entweder ihr zahlt für die Verbrechen mit Groschen, versucht euch herauszureden, erleidet die Strafe dafür, bei kleineren Vergehen kommt ihr an den Pranger und bei schwereren werdet ihr sogar gebrandmarkt, oder aber ihr widersetzt euch. Sie reagieren sogar auf euch, wenn ihr euch zu lange nicht gewaschen habt und stinkt oder mit Blut besudelt seid. Waschen könnt ihr euch jederzeit am Wassertrog oder in einem Badehaus, wo ihr euch sogar von wunderhübschen Damen sauber schrubben lassen könnt.

Doch nicht nur die Ortschaften sind beeindruckend, wie vor allem die „Großstadt“ Kuttenberg mit einer wunderschönen Kirche, den Marktplätzen und zahlreichen Geschäften, sondern auch die Wälder wissen zu verzaubern. Bis heute haben es meiner Meinung nach nur die Entwickler von Warhorse geschafft, einen Wald so authentisch in einem Videospiel abzubilden, dass man glaubt, man würde sich in einem echten Wald befinden. Es ist einfach unglaublich. Zur Stimmung und Atmosphäre trägt auch die Soundkulisse bei. Im Wald hören wir die Vögel zwitschern, am Bach plätschert das Wasser und die Frösche quaken und bei Nacht zirpen die Heuschrecken. Für den passenden Soundtrack steuert ein Orchester dann noch hier und da die musikalische Untermalung bei.

Authentizität in den Nebentätigkeiten
Ähnlich authentisch gehen die Entwickler bei den Nebentätigkeiten vor. So könnt ihr an einem Alchemistisch unterschiedliche Tränke brauen. Ihr könnt Heiltränke, Gifte oder auch den wichtigen Retterschnaps zubereiten. Vorher solltet ihr aber das genaue Rezept kennen, denn es ist wichtig zu wissen, aus welchen Bestandteilen der Trank besteht und was die Basis des Trankes ist. Es ist durchaus komplex, da man nicht nur die Flüssigbasis aus Alkohol, Wein, Wasser oder Öl kennen muss, sondern auch die richtigen Zutaten, deren Menge und Zustand. Einige Pflanzen müssen zum Beispiel fein gemörsert werden, bevor sie in den Kessel kommen. Einige Tränke dürfen nur leicht aufkochen, während andere wiederum stark aufgekocht werden müssen. Auch die Kochzeit spielt eine große Rolle – soll der Trank nur eine Sanduhr lang gekocht werden oder länger? Muss der Trank nach dem Kochen nur abgeschöpft oder doch noch destilliert werden? Wenn man alles richtig macht, dann kann man gleich mehrere Tränke abschöpfen; zudem erhöht sich auch die Qualität des Trankes.

Beim Schmieden verhält es sich ähnlich. Hier wird die Qualität eures Produkts (Schwert, Hufeisen oder Axt) von dem gleichmäßigen Hämmern auf dem Amboss bestimmt. Auch die Hitze spielt eine große Rolle. Ist der Rohling zu kalt oder zu heiß, dann leidet die Qualität. Beide Mini-Spiele beweisen die Hingabe der Entwickler für Authentizität, doch ich kann auch verstehen, wenn der Großteil der Spieler diese als nervig empfindet. Man muss sich darauf einlassen wollen, da sie gerade auch zeitaufwendig sind. Zudem eignen sich beide Professionen gut dafür, ein paar zusätzliche Groschen zu verdienen. Apropos Groschen verdienen: Ihr könnt natürlich auch Wild erlegen wie Hasen, Hirsche, Eber oder Wölfe und diese ausweiden. Doch Vorsicht, Wildern ist verboten, da könntet ihr genauso gut die Taschen oder Truhen der Bevölkerung ausrauben. Zudem verkauft sich gestohlene Ware nur bei Hehlern, die ehrlichen Händler kaufen euch keine gestohlenen Waren ab und verpfeifen euch sogar im schlimmsten Fall bei den Wachen.

Neben der Alchemie und dem Schmieden gibt es noch das Schlösser knacken. Ziel des Mini-Spiels ist es, einen runden Kreis mit dem rechten Analog-Stick an einen bestimmten Punkt zu führen. Leuchtet der Kreis golden auf, dann kann man versuchen, das Schloss mit dem linken Stick zu drehen und somit zum Öffnen zu bewegen. Das Gemeine ist, dass ihr den rechten Stick mitdrehen müsst, um den Punkt zu halten. Das Schloss öffnet sich, sobald ihr eine Umrundung geschafft habt. Doch gerade zu Beginn fühlt sich Heinrich an wie ein Parkinson-Patient, da der Pin ziemlich stark hin und her wackelt. Sobald ihr aber den Dreh raus habt, sind selbst sehr schwere Schlösser im Verlauf des Abenteuers irgendwann kein Problem mehr. Auch hier haben die Entwickler deutlich nachgebessert, denn auch über das Schlösser knacken hat der ein oder andere Spieler des Erstlings geflucht. In „Kingdom Come: Deliverance 2“ fühlt es sich deutlich einfacher an. Wie nun der Taschendiebstahl funktioniert, findet ihr am besten selbst heraus.

Zwei riesige Welten voller Abenteuer
Ob „Kingdom Come: Deliverance 2“ nun doppelt so groß ist wie sein Vorgänger, kann ich euch leider nicht mit Sicherheit sagen, doch für mich hat es sich doppelt so groß angefühlt, da man hier zwei riesige Karten erkundet. Zum einen haben wir die Umgebung um Burg Trosky und zum anderen die Kuttenberger Umgebung. Beide Karten sind ungefähr gleich groß und entsprachen meiner Meinung nach jeweils der Größe der Karte des Erstlings. Ich hoffe, ihr könnt mir soweit folgen. Sobald ihr einmal die Kuttenberger Umgebung erreicht habt, könnt ihr mithilfe einer Karawane zwischen den Ortschaften hin und her reisen.

Auf beiden Karten gibt es zahlreiche Ortschaften, Höhlen, feindliche Lager und vieles mehr zu entdecken und zu erkunden. Schön fand ich auch die vielen Schnellreisepunkte, die mir persönlich im ersten Teil noch zu rar gesät waren. Doch Vorsicht, auch auf der Schnellreise kann die Spielwelt euch noch gefährlich werden. Oftmals werdet ihr von Banditen angegriffen und die Chance zu entkommen ist am Anfang relativ gering.

Aber es passieren auch andere zufällige Ereignisse auf Schnellreisen. Es kann sogar vorkommen, dass euch plötzlich eine Nebenquest angeboten wird. So wurde eine meiner Schnellreisen von einem Banditen unterbrochen. Er wollte mich zunächst ausrauben, wobei er sich nicht allzu geschickt anstellte. Mit ein wenig Redegewandtheit erfuhr ich, dass es sich bei dem Mann eigentlich um keinen Banditen, sondern um einen verstoßenen Ritter aus Sigismunds Armee handelt. Ihm wurde Pferd und Ausrüstung genommen und ohne diese ist er dermaßen verzweifelt, dass er begann, Leute auszurauben. Ich versprach ihm, seine Ausrüstung wiederzubeschaffen und manövrierte mich hiermit in eine heikle Situation hinein. Natürlich werde ich euch den Ausgang nicht spoilern. Aber es ist ein schönes Beispiel für die Komplexität der Spielwelt.

Epische Schlachten und spannende Geschichten
Ein weiteres Beispiel für die Komplexität der Spielwelt sind die zahlreichen Geschichten. So könnt ihr im Verlauf eures Abenteuers Entscheidungen treffen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen werden. Doch nicht nur eure Entscheidungen in der Hauptgeschichte haben einen großen Stellenwert, sondern auch eure Entscheidungen in den Nebengeschichten. Dabei geben euch die Entwickler überraschend viel Freiraum. Ihr könnt viele Quests auf vielfältige Weisen lösen und auf zahlreiche Aspekte eurer Fähigkeiten setzen. Ihr könnt kämpfen, stehlen oder euch herausreden. Zudem werden auch viele Nebengeschichten mit weiteren Quests basierend auf eurem Erfolg fortgeführt.

Ein Beispiel: Ein Schafhirte bat mich um Hilfe, um seine Weide vor einigen Wölfen zu befreien. Mit besten Absichten versuchte ich ihm zu helfen, doch von insgesamt drei Wölfen entkam ausgerechnet ein einziger. Das Scheitern meiner Aufgabe habe ich dem Hirten gebeichtet; ich hätte ihn auch belügen können. Naja, jedenfalls waren wir am Ende beide der Meinung, dass ein einzelner Wolf kaum so gefährlich sein kann wie drei. Als ich den Hirten später erneut aufsuchte, war er wütend und gab an, dass die Wölfe zurückgekehrt seien. Damit habe selbst ich nicht gerechnet. So habe ich im Laufe immer wieder erlebt, wie sich meine Entscheidungen, ob gut oder schlecht, auf die Spielwelt und deren Bewohner auswirkten. Nichtsdestotrotz bekam ich vom Hirten eine weitere Aufgabe gestellt, die natürlich an mein vorheriges Versagen anknüpfte.

Neben der erstaunlich komplexen Spielwelt hat mich zudem die Qualität der zahlreichen Geschichten überzeugt. Selbst kleinere Nebencharaktere wie der Jäger Vostatek bieten eine ausführliche und glaubhafte Hintergrundgeschichte. Hierdurch wirken die Charaktere nahbar und bleiben deutlich länger in Erinnerung. Man bemerkt in der Ausarbeitung der Aufgaben keinen Unterschied zwischen Neben- und Haupthandlung, was sich wiederum im Spielspaß widerspiegelt. Leider geriet ich in meinem Test ein wenig unter Zeitdruck und konnte somit nicht alle Nebengeschichten erleben, doch in den knapp 70 Stunden habe ich versucht, so viel wie möglich zu erleben. Während ich die Hauptgeschichte durchgespielt habe, blieben noch viele Nebengeschichten auf der Strecke, die ich glücklicherweise nach Abschluss der Hauptstory jedoch weiterverfolgen durfte. Wer hier wirklich alles erleben möchte, kann sich auf ein episches Abenteuer von mindestens 100 Spielstunden einstellen.

Ich würde euch am liebsten noch so viel mehr erzählen. Zum Beispiel über das Nomadenvolk oder die Kumanen. Wie ich epische Belagerungen überlebte oder mich auf Schatzsuche begab. Wie ich einen Serienmörder in Kuttenberg jagte und wie ich einen Dämon in einer verlassenen Mine auszutreiben versuchte, doch ich möchte euch nicht die Freude nehmen, es selbst zu erleben. Darüber hinaus würde es wohl den Rahmen dieses Berichts sprengen.

Wie steht es um die Technik?
Aber genug geschwärmt von epischen Abenteuern und wunderschönen Städten und Wäldern, wie steht es um die Technik? Nun, soweit ich das beurteilen kann, läuft „Kingdom Come: Deliverance 2“ erstklassig auf der PlayStation 5. Wie bei vielen Titeln dieser Generation müsst ihr euch zwischen dem Performance- und dem Qualitätsmodus entscheiden. Im Performance-Modus läuft das Spiel mit einer hochskalierten Auflösung von 1440p und einer Framerate von überwiegend stabilen 60FPS. „Überwiegend“ bedeutet, dass ich seltene Ruckler feststellen konnte, die jedoch ganz kurz ausfielen und nicht wirklich von Belang waren. Im Qualitäts-Modus wird eine hochskalierte Auflösung von 2160p geboten, jedoch bei einer Framerate von 30FPS. Ich habe das Spiel im Performance-Modus durchgespielt, da der kurze Wechsel auf den Qualitäts-Modus mit den 30FPS für mich persönlich nicht tragbar erschien. Wer eine PlayStation 5 Pro sein Eigen nennen darf, braucht sich über die Wahl der Modi keinen Kopf machen, denn da läuft das Spiel bei einer hochskalierten Auflösung von 2160p und einer Framerate von 60FPS. Die Entwickler empfehlen tatsächlich, das Spiel auf der PS5 Pro zu spielen. Da ich selbst leider keine PS5 Pro besitze, kann ich euch dementsprechend keine weiteren Informationen hierzu geben.

Völlig bugfrei verlief mein Abenteuer leider auch nicht, was jedoch bei der Größe des Spiels keinen verwundern sollte. Neben den vier Spielabstürzen, die ich bereits erwähnt habe, gab es vor allem in Zwischensequenzen oder Dialogen einige Bugs. Darunter Soundbugs, so wurde die Synchronisation einiger Dialoge nicht wiedergegeben. In anderen Zwischensequenzen kam es zu unschönen Beleuchtungsbugs. Vereinzelte Szenen flackerten plötzlich auf. In einer anderen Zwischensequenz wurde ein bestimmter Charakter plötzlich doppelt angezeigt. In einer weiteren Zwischensequenz wurde der Dialog erst fortgesetzt, nachdem ich die Kreistaste zum Überspringen einzelner Dialogzeilen gedrückt hatte.

Alles in allem nichts, was meinen Spielspaß auf irgendeine Weise dämpfte. Es kam aber auch zu vereinzelten Bugs in Quests. Erinnert ihr euch an die Quest mit dem Ritter, dem die Ausrüstung abgenommen wurde? Tja, diese Quest konnte ich entweder lösen, indem ich mich einem Duell stellte und so um die Ausrüstung kämpfte, oder ich müsste sie stehlen. Leider fehlte in der Dialogoption die Herausforderung zum Duell. Der Widersacher sagte mir nur immer wieder, dass ich ihn jederzeit herausfordern könnte, wenn ich dazu bereit wäre, doch das blieb mir in der Preview-Version verwehrt.

Viele dieser aufgeführten Bugs sind den Entwicklern jedoch bekannt und sollen mit dem obligatorischen Day-One-Patch behoben werden. Tatsächlich ist bereits ein Update von über 20GB veröffentlicht worden, das viele der genannten Probleme angeht. Da ich jedoch keine Zeit mehr habe, erneut 70 Stunden oder mehr zu investieren, um das zu überprüfen, müssen wir den Entwicklern an dieser Stelle einfach vertrauen.

Plötzliche DEI-Agenda von Warhorse?
Ach, und bevor ich zu meinem Fazit komme: Habt ihr von den DEI-Vorwürfen gehört, die aktuell in sozialen Medien kursieren? Es heißt, dass die Entwickler eingeknickt seien, um das Spiel einem modernen Publikum schmackhaft zu machen. Als Hinweise wurden dabei der Medicus Musa aus Mailand und Heinrichs Möglichkeit, mit einem gleichgeschlechtlichen Partner einen sexuellen Akt zu vollziehen, angegeben.

Ganz ehrlich Leute, ich will euch die Begegnung mit Musa nicht spoilern, aber sie ist genauso dargestellt, wie man es für diese Zeit erwarten würde. Musa ist übrigens ein dunkelhäutiger Charakter, aber mehr verrate ich an dieser Stelle nicht. Und dass Heinrich eine gleichgeschlechtliche Beziehung eingehen kann, ist doch genau die Art Freiheit, die man sich von einem Rollenspiel wünscht, oder? Ich habe es in meinem Spieldurchlauf nicht forciert und habe es nicht getestet, weswegen ich euch nicht zu 100 % bestätigen kann, ob Heinrich nun mit Männern schlafen kann oder nicht, aber selbst wenn. Ist das wirklich ein Grund, das Spiel zu boykottieren? Diese Frage müsst ihr euch natürlich selbst beantworten, also mir würde es nicht ausreichen.

Hätte ich jetzt an einem Tisch mit Hans Capon sitzen müssen, der seinem Vater erklärt, dass er jetzt non-binär ist und diesen Begriff auch noch weiter ausführt, weil sein Vater mit diesem nichts anfangen kann, ja, dann könnte ich die Debatte verstehen. Aber so? Glaubt mir, das mittelalterliche Böhmen bleibt authentisch, brutal, dreckig und vulgär. Tatsächlich hätte ich mir ein wenig mehr Brutalität gewünscht, da man keine Gliedmaßen oder Köpfe abschlagen kann, aber Blut ist reichlich vorhanden.

Fazit
Für mich ist „Kingdom Come: Deliverance 2“ als Rollenspielfan und Mittelalter-Enthusiast ein wahr gewordener Traum. Während ich im Erstling noch einige Anläufe gebraucht habe, um mich mit den kantigen Spielmechaniken vertraut zu machen, ist der Funke beim Nachfolger direkt übergesprungen. Das liegt auch daran, dass die Entwickler sich die Kritik der Spieler zu Herzen genommen haben. Mit der Entschlackung einiger Spielmechaniken gehen sie auf die Casual-Spieler ein, ohne dabei die Essenz, Komplexität und Authentizität aufzugeben. Alle Spielmechaniken sind gerade so nah an der Realität, dass der Spielspaß dabei nicht auf der Strecke bleibt. Genau das ist oft ein schmaler Grat, den die Entwickler der Warhorse Studios hier aber mit Bravour meistern konnten.
Ich vergebe:
9.5 von 10