Der taktische Multiplayer Shooter „Insurgency: Sandstorm“ ist zwar für PC Spieler kein heißes Eisen mehr, doch ab sofort können auch Konsoleros ihr taktisches Feingefühl auf die Probe stellen. Die Verantwortlichen Entwickler von New World Interactive haben ihr Augenmerk auf einen möglichst authentisches und realistisches Spielgefühl gelegt und beweisen PC Spielern bereits seit Dezember 2018, dass sie es durchaus drauf haben. Nun möchte man drei Jahre später die ganze Intensität moderner Kriegsführung den Konsolenspielern zugänglich machen. Doch kann der Titel spielerisch überhaupt überzeugen und spielt die Verzögerung der Veröffentlichung eine Rolle? Wir haben vom Publisher Focus Home Interactive ein Testmuster für die PlayStation 4 zugesandt bekommen und ich möchte euch im Vorwort bereits verraten, dass „Insurgency: Sandstorm“ einer der besten kooperativen Taktik-Shooter auf dem Markt ist. Doch ich befürchte, dass dieser zwischen Call of Duty und Battlefield klanglos untergehen wird. Was den Shooter so besonders macht, erfahrt ihr im Test.
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Ganz schön angestaubt
Wer glaubt, dass „Insurgency: Sandstorm“ drei Jahre nach der PC Veröffentlichung ein abgeschlossenes Produkt ist und man keine wesentlichen Inhalte mehr zu erwarten hat, der irrt gewaltig. Mit der Neuveröffentlichung des Titels auf den Konsolen haben die Verantwortlichen gleichzeitig eine zweijährige Roadmap vorgestellt, die neben unzähligen Skins, neue Karten, neue Spielmodi, neue Waffen und noch vieles mehr verspricht. Dennoch merkt man dem Spiel den Zahn der zeit an. Grafisch kann „Insurgency: Sandstorm“ mit aktuellen Shootern wie dem kommenden „Call of Duty: Vanguard“ oder „Battlefield 2042“ nicht mal annährend mithalten, aber Grafik ist bekanntlich nicht alles.
Auch technisch hat es noch so seine Macken, das merkt man vor allem, wenn man über kleine Hindernisse klettern möchte, das ist ziemlich hakelig und läuft nicht so flüssig ab, wie bei Call of Duty und Co. Dennoch konnte mich der Titel direkt abholen, weil er einen Nerv trifft, der schon länger nicht gekitzelt wurde: mein Verlangen nach Realismus und damit einhergehend auch taktische Tiefe. Die Atmosphäre im Spiel ist der Wahnsinn. Wenn man über das Schlachtfeld läuft, hat man jederzeit das Gefühl mitten im Krieg zu sein. Sobald die ersten Schüsse fallen, ist man direkt angespannt, weil jeder Treffer den Tod bedeuten könnte. Das Geräusch von abgefeuerten Waffen, einschlagenden Kugeln, explodierenden Granaten und vereinzelten Todesschreien wirkt authentisch und erzeugt eine sehr dichte Atmosphäre, die einen direkt in den Bann zieht.
Taktik ist Trumpf
Das Waffenhandling ist so nah an der Realität wie bei keinem anderen Spiel. Dadurch entwickelt sich automatisch ein ganz anderes Vorgehen. Hier gibt es keine Flitzer, die über das Schlachtfeld sausen und einen Kill nachdem anderen holen. Stattdessen bewegt man sich vorsichtig von Deckung zu Deckung und versucht den Feind zu erspähen. Gerannt wird oftmals nur, wenn man gerade eine offene Stelle überbrücken muss. Wer dennoch rennt, zieht schnell die Aufmerksamkeit auf sich, da die Schrittgeräusche kaum zu überhören sind.
Jede Waffe verfügt über unterschiedliche Parameter wie Feuerrate, Durchschlagskraft, Rückstoß auf horizontaler wie vertikaler Ebene und mehr, dadurch fühlt sich jede Waffe anders an. Vor allem am Rückstoß merkt man dem Spiel den realistischen Ansatz an, da viele schwere Kaliber im Dauerfeuer unkontrollierbar werden. In keinem anderen Spiel habe ich so gerne im Einzelschussmodus gespielt, wie in „Insurgency: Sandstorm“. Das liegt jedoch nicht nur am Rückstoß, sondern auch am sogenannten Time to Kill. Während man gefühlt in anderen Spielen ein ganzes Magazin im Körper des Feindes versenken muss, um zu gewinnen, reichen hier nur wenige Treffer. Zudem wird nicht automatisch nachgeladen, hier muss man als Spieler selbst den Überblick behalten und wer zu schnell nachlädt, verliert wertvolle Munition, denn die restlichen Patronen im Magazin werden nicht zum Gesamtvorrat magisch dazu addiert.
Hierdurch agieren auch die meisten Mitstreiter deutlich taktischer und Taktik ist in diesem Spiel ein Muss. Ein Team muss zusammenarbeiten, um den Sieg für sich entscheiden zu können. Das spürt man direkt, wenn man einem gut organisiertem Team gegenübersteht. Auch der Sprachchat im Spiel hat einen deutlich anderen Charakter als bei Call of Duty und Co. Hier versuchen die Spieler oftmals taktische Befehle durchzugeben oder geben den Standort eines Feindes preis. Ganz selten trifft man auf toxische verbale Ausdünstungen der Mitstreiter. Zudem wiegt jeder Tod im Team schwer, da man nicht direkt wieder am Gefecht teilnehmen kann. Oftmals muss man quälend lange 30 Sekunden zum Wiedereinstieg warten oder man kann erst wieder teilnehmen, wenn das eigene Team einen strategischen Punkt eingenommen hat. Das trägt ebenfalls zum taktischen Bewusstsein bei.
Show me your Style
Im sogenannten Anpassungsmodus können wir unserem Soldaten, bzw. unserer Soldatin einen ganz individuellen Look verpassen. Dabei können wir in einem rudimentären Charakter-Editor nicht nur das Aussehen des Charakters bestimmen, sondern auch die Ausrüstungsgegenstände am Körper. Von Kopf bis Fuß lassen sich unterschiedliche Helme, Schuhe oder Westen ausprobieren. Zudem lassen sich im Ausrüstungs-Reiter die acht unterschiedlichen Klassen anpassen, sodass wir uns direkt in ein Match stürzen können ohne immer wieder kurz vor dem Gefecht auf die Waffen und deren Modifikationen zu achten. Jede Klasse greift selbstverständlich auf die ihr zugewiesenen Waffentypen zurück. So kann zum Beispiel nur der Sprengtechniker auf Raketenwerfer oder andere spezielle Sprengstoffe wie C4 zurückgreifen.
Schön ist auch, dass man direkt nicht nur die Anpassungen für die Fraktion vornimmt, sondern auch zum Spieltyp und Tageszeit. So können Gefechte Tagsüber aber auch Nachts ausgefochten werden. Darüber hinaus verfügen beide Fraktionen „Insurgents“ und „Security“ über komplett unterschiedliche Waffen, sodass hier eine Anpassung vor einem Gefecht ratsam wäre. Viele besondere Skins können erst mit der Zeit in Anspruch genommen werden, da diese zunächst mit einer Ingame Währung gekauft werden müssen. Schade nur, dass man relativ wenig Ingame Währung verdient, sodass es ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen wird, wenn man wirklich alle kosmetischen Items erspielen möchte. Positiv ist jedoch, dass die Ingame Währung nicht durch Echtgeld gekauft werden kann. Auf der anderen Seite wiederum verkaufen die Entwickler besondere Ausrüstungen für Echtgeld, die im Spiel nicht erspielt werden können. Zum Glück verzichten die Entwickler auf bunte Faschingskostüme, knallbunte Waffenskins und ähnlich absurden Krams, sondern legen auch hier ihr Augenmerk auf ein möglichst authentisches Auftreten.
Ein Spiel für Jedermann
Was mir aber besonders gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass „Insurgency: Sandstorm“ sowohl für Einzelspieler, als auch für Mehrspieler konzipiert wurde. Es existieren aktuell zwei übergeordnete Spielmodi. Zum einen den Koop-Modus gegen KI-Gegner und zum anderen den Versus Modus gegen andere Spieler. In beiden Kategorien finden sich jeweils vier unterschiedliche Spielmodi. Schade nur, dass vor allem im Versus Modus die unterschiedlichen Spielmodi sich spielerisch kaum voneinander unterscheiden. Alles fühlt sich ziemlich gleich an. Lediglich in kleinen Nuancen unterscheiden sich die Modi.
Nehmen wir hier zum Beispiel die beiden Spielmodi „Push“ und „Frontline“. In „Push“ müssen die Angreifer nach und nach in gegnerische Gebiet vordringen und taktische Gebiete einnehmen, um am letzten Punkt das gegnerische Waffenlager zerstören zu können. Die Verteidiger können nur versuchen, die Angreifer an diesem Vorhaben zu hindern. Bei „Frontline“ ist das Spielprinzip sehr ähnlich. Auch hier gilt es strategische Punkte einzunehmen, um am Ende das gegnerische Waffenlager zerstören zu können, nur hier existiert kein klarer Angreifer. Beide Teams können strategische Gebiete einnehmen, wodurch sich eine Art Tauziehen-Prinzip einstellt.
Darüber hinaus kann man als Einzelspieler auch ein lokales Spiel gegen KI-Gegner starten. Hier können Parameter wie Tageszeit, Karte sowie Spielmodus eingestellt werden. Auch hier werden wieder vier neue Spielmodi geboten, wobei zwei davon lediglich Hardcore Varianten sind. Dennoch ist es schön, dass in einem Multiplayer Spiel endlich wieder gegen Bots gespielt werden kann, wenn man gerade keine Lust auf menschliche Gegner hat. Dieses Feature habe ich persönlich in der Vergangenheit vermisst. Zudem kann man in den Einzelspieler Modi schön die Karten kennenlernen und sich in seinem Tempo an das Waffenhandling gewöhnen, bevor man kopfüber ins kalte Wasser springt.
Fazit
„Insurgency: Sandstorm“ ist ein grandioser Multiplayer Shooter, den ich jeden wärmstens empfehlen kann. Kein anderes Spiel vermittelt das Gefühl eines Kriegsschauplatzes so authentisch und atmosphärisch wie dieser Titel. Vor allem das realistische Waffenhandling ist hervorragend und da bereits wenige Treffer zum Tod führen, eignet man sich automatisch ein taktisches Vorgehen an. Lediglich die Grafik sowie Technik sorgen für ein klein wenig Ernüchterung. Man merkt dem Titel sein Alter deutlich an. Das ist etwas schade und könnte viele Spieler direkt abschrecken. Immerhin wollen die Entwickler im nächsten Jahr ein Next Gen Upgrade veröffentlichen, doch ob die grafische Darstellung sichtbar verbessert werden kann ist fraglich. Dennoch gehe ich stark davon aus, dass der Titel zwischen „Call of Duty: Vanguard“ und vor allem „Battlefield 2042“ untergehen wird. Das ist äußerst schade, da vielen Spielern hier ein wirklich großartiges Spielerlebnis durch die Lappen geht.
Schön dagegen ist, dass man man diesen Titel auch als Einzelspieler gut genießen kann, da es einen Spielmodus gegen Bots gibt. Hier kann man sich gut auf Multiplayergefechte vorbereiten und in Ruhe alle Waffen kennenlernen. Zudem kann man auch mit Freunden einen Koop-Modus gegen Bots spielen, um auch hier ein taktisches Vorgehen im Team zu üben. Zudem haben die Entwickler eine zweijährige Roadmap in Aussicht gestellt, wo auch ein Story-Modus erwähnt wird. Dementsprechend wird der Titel auf Jahre noch weiter mit neuen Inhalten versorgt, der kostenlos für alle Spieler zur Verfügung gestellt wird. Dank individuellem Anpassungsmenü kann man sich seinen persönlichen Soldaten bzw. Soldatin erstellen und herausstechen. Zum Glück verzichten die Entwickler aber auf knallbunte Designs und legen ihr Augenmerk auf Authentizität. Aus diesem Grund vergebe ich:
9 von 10 Punkten