Schon ab dem ersten Trailer hatte Ravenbound meine volle Aufmerksamkeit erhaschen können. Eine wunderschöne Open-World zum Erkunden, ein Action-Rogulite gepaart mit Soulslike Elementen, Loot, Deck-Building und das Ganze inspiriert von der skandinavischen Folklore. Was kann da schon schiefgehen, dachte ich. Tja, so wie sich zeigt einfach alles.
https://youtu.be/J1nVbDeBMrA
Verzweifelte Götter
Ravenbound erzählt eine Geschichte über sieben Götter, die in einem friedlichen Einklang über die wunderschöne Insel Ávalt herrschten, doch eine Göttin wollte mehr. Von Hass getrieben, wollte sie die einzige Herrschaft erlangen und die anderen Götter vernichten. Um ihr Einhalt zu gebieten, vereinten die Götter ihre Kräfte und erschufen einen Raben. Doch durch diese Prozedur schwächten sich die Götter und die hasserfüllte Göttin nutzte die Gunst der Stunde, um die Götter zu besiegen. Geschwächt und gebrochen wurden die Götter eingesperrt und warten fortan auf den Raben, der nach einem fähigen Krieger sucht, die Götter zu befreien und endlich wieder Frieden auf die Insel Ávalt zu bringen.
Leer, Starr und langweilig
Zunächst fängt das Spiel ziemlich vielversprechend an. Wir starten als menschliche Kriegerin, mit Schwert und Schild bewaffnet und erlernen die Grundmechaniken des Spiels in einem Tutorial. Einsteigerfreundlich erlenen wir das Ausweichen, Blocken sowie Parieren und werden sogleich in die riesige Open World geschmissen. In der Gestalt eines Raben fliegen wir plötzlich über die Insel und Orte von Interesse ploppen beim Vorbeifliegen auf. Unser Ziel ist deutlich durch einen Marker gesetzt. Da ich jedoch eher ein neugieriger Spieler bin und gerne abseits der Hauptquest alles zunächst erkunde, lande ich prompt beim ersten Ort von Interesse, was sich jedoch schnell als großer Fehler entpuppt.
Im Grunde ist die Spielwelt komplett leer und unnötig riesengroß. Da man sich nicht jederzeit in den Raben verwandeln kann, sondern nur an festgelegten Plätzen, macht man nur einmal den Fehler einfach irgendwo in der Welt zu landen. Abseits von feindlichen Lagern hat die Open World nichts Interessantes zu bieten. Selbst die kleinen Städte – pro Gebiet gibt es genau eine Stadt – liefern einem nur eine Nebenquest, um 100 Münzen verdienen zu können. Mit den Münzen kann man sich dann für genau eine einzige Sache entscheiden: Heilen, Karten ziehen, Rüstung oder Waffe verbessern. Die Qual der Wahl, quasi. Weitere Münzen zu verdienen ist nicht drin, außer man wählt die menschliche Rasse, die bei jedem wegwerfen einer Karte 10 Münzen erhält. Ein wirklich starrsinniges System, ähnlich funktioniert es auch mit den Karten, welche die Fähigkeiten verbessern.
Die Orte von Interesse sind lediglich kleine Lager von Feinden, die dazu dienen unsere Fähigkeiten zu verbessern. Besiegen wir die Feinde, dann lassen sie sogenannte Fragmente fallen. Finden wir drei Fragmente und setzen sie ein, dann werden uns drei Karten offen gelegt, aus denen wir uns für eine Karte entscheiden müssen. Die Karten können unseren Angriff sowie Verteidigung stärken oder zur Heilung dienen. Andere wiederum verbessern das Parieren oder Ausweichen. Um die Karten jedoch einsetzen zu können, benötigen wir Mana, welches extrem rar gesät ist. Mana finden wir in kleinen Schatullen, die in Feindes Lagern liegen können oder als zufällig gezogene Karte. Zudem erhalten wir fünf Manapunkte, wenn wir die erste Hauptquest abgeschlossen haben. Je besser die Karte, desto höher der Anteil des benötigten Mana.
Nichts durchdacht
So wirklich stimmig fällt in diesem Spiel nichts aus. Zunächst ergibt es keinen Sinn, dass die Entwickler euch daran hindern wollen, viele Münzen anzuhäufen. Auch unendlich viele Karten könnt ihr nicht ausrüsten oder ziehen, da ein sogenanntes Hass-System genau das verhindert. Mit jeder gezogenen Karte steigt der Hass in eurer Figur. Ist die Hassleiste ganz gefüllt, dann können keine Karten mehr gezogen werden. Schafft ihr es jedoch zum zweiten Boss, dann wird euch schnell bewusst, warum man euch daran hindert möglichst stark zu werden. Die Bosse der Gebiete skalieren an eurer Stärke mit. Somit wird das gesamte Roguelite Prinzip ad absurdum geführt.
Ich versuche es euch an folgendem Beispiel zu erklären. Ihr seid bei eurem ersten Anlauf im zweiten Gebiet gestorben und wählt für euren nächsten Durchlauf eine von drei Rassen aus, die jeweils andere Fähigkeiten mitbringen. Der Mensch erhält 10 Münzen für das Wegwerfen einer Karte, der Wolf erhält 10 % mehr Angriff seiner Grundstärke und das Reh erhält einen Manapunkt. Von eurem Turm könnt ihr erneut vom ersten Gebiet starten oder euch direkt ins zweite Gebiet begeben. Wer jetzt den Denkfehler macht, sich ins erste Gebiet zu wagen, um sich zunächst zu stärken, der hat schon verloren, denn der zweite Boss wird mindestens 60 % stärker sein, wodurch er fast unbezwingbar wird. Wenn ihr euch jedoch direkt ins zweite Gebiet wagt, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass ihr auch eine faire Chance habt. Also für mein Verständnis ergibt das keinen Sinn.
Unfertig
Zu allem Überfluss wird das Spiel hier als finale Version verkauft, was einfach frech gelogen ist. Wenn das Spiel nicht gerade abstürzt, dann werden euch unzählige Soundbugs auffallen und eine Synchro fehlt komplett. Wasser hat keinen physikalischen Effekt oder Zustand. Ihr könnt durchs hüfthohe Wasser genauso schnell rennen wie über andere Ebenen. Die Kameraperspektive ist oft so nah am Geschehen oder starr, dass man im Kampf nur noch Büsche, Gräser oder Wände sieht. An allen Ecken fehlt es am Feinschliff.
Fazit
Ravenbound hat mir persönlich genau zwei Stunden Spaß gemacht, danach ging es schnell bergab. Der unfertige Zustand des Spiels ist bei einem Preis von knapp 30 Euro ein Schlag ins Gesicht. Der Titel wird geplagt von Abstürzen, Soundaussetzern und einer schlecht platzierten Kameraperspektive. Zudem sind viele Spielmechaniken undurchdacht und starr. Das Kampfsystem ist auf den ersten Blick nicht schlecht, entpuppt sich jedoch schnell als Button-Smashing, das ändern auch die fünf unterschiedlichen Waffenarten nicht.
Das Loot-System mit den Karten ist nur so lange spannend, bis man merkt, dass man nie genug Mana hat. Münzen sind dermaßen rar, dass man das Wirtschaftssystem komplett vergessen kann und durch das Hass-System wird der Fortschritt massiv ausgebremst. In Ravenbound wirkt keine Spielmechanik so richtig stimmig. Weder die Fortschrittsmechanik noch die Open World ergeben so richtig Sinn. Ich vergebe:
4 von 10 Punkte